Es gab eine Zeit, als deutsche Leitmedien neidvoll nach Frankreich blickten und voller Verzückung den dortigen Laizismus mit den halbstaatskirchlichen Zuständen zwischen Rhein und Oder verglichen. Oh wie fortschrittlich sei Frankreich, wie geknebelt die deutschen Lande, wo Kirchensteuer vom Fiskus eingetrieben und das Bet-Personal der großen Kirchen bis hin zu deren üppigen Pensionen vom Staate alimentiert würde. Die von Ewigkeit zu Ewigkeit anhaltenden Entschädigungen für vor über 200 Jahren stattgefundene Enteignungen durch den Reichsdeputationshauptschluss sollte längst gesetzlich neu geregelt werden, aber immer wenn das Thema wieder mal von der Öffentlichkeit aufs Tapet gehoben wurde, verschwand es klamm und heimlich wieder, noch ehe es in die Nähe der heißen Schmiedeöfen der Parlamente kommen konnte. Doch dann kamen die Austrittswellen in beiden großen Kirchen, Missbrauchs-Skandale, Streit um die Schwangerschaftsberatungsstellen der Kirchen, ein Bischof, der als Made im Limburger Katholikenspeck lebte, Zölibatsdiskussion, Nachwuchsprobleme, Finanzskandale, Diskussionen um Kreuze in Schulen und Krankenhäusern, die Trunkenheitsfahrt einer Bischöfin, Kardinal Meißner als gern gesehener Gast auf Karnevals-Motivwagen und Papst Benedikt, der einen byzantinischen Kaiser korrekt zitierte und damit Empörung – auch unter Christen – auslöste. Letzteres Beispiel zeigte, dass die Kirchenfürsten es dem Bürger nicht einmal dann recht machen konnten, wenn sie nichts Falsches sagten.

Kurz, die Amtskirchen in Deutschland befand sich in der Defensive, führten seit langem Rückzugsgefechte, ihre Lobby schwand wie Schnee in der Sonne und ihr Einfluss auf gesellschaftlich relevante Themen wurde immer weniger sichtbar. Wer selbst bis zum Kollar in der Sünde steckt, kann schwerlich Reinheit predigen. Es wurde stiller um die großen Amtskirchen.

Das Säkulare war auf dem Vormarsch, der Atheismus blühte, die vielzitierte Aufklärung, deren Mangel dem Islam so oft und zurecht vorgeworfen wird, war ja schließlich nichts anderes, als die Emanzipation des Menschen von den Dogmen des Glaubens und seinen Institutionen, also den Kirchen. Lang vorbei die Zeiten, zu denen Unglaube noch staatlich sanktionierte Sünde war. Stattdessen kamen Themen in der Gesellschaft auf Entscheidungsebene, bei denen sich die Kirchenvertreter aller Konfessionen die Fingernägel abkauen mochten. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften, „Homo-Ehe“, Emanzipation – wo sollte das nur alles hinführen! Der Leibhaftige verbreitete Zweifel und Atheismus unter den Lämmern und die Hirten bliesen vergeblich in ihre Kehret-um-Pfeifen. Besonders dringend war es ja eigentlich noch nicht, solange die schweigende Mehrheit der Christen in diesem Land zwar nicht regelmäßig in die Gottesdienste geht, dafür aber regelmäßig ihre Kirchensteuer entrichtet.

Man brauchte dringend einen neuen Verbündeten, denn der Staat war unter diesen Umständen nur noch ein unsicherer Kantonist, der Spruch „so wahr mir Gott helfe“ beim Amtseid der Mandatsträger häufig nur noch eine Floskel.

Haben die Kirchen überhaupt noch Verbündete in der politischen Landschaft der Bundesrepublik? Die Parteien mit dem großen C vielleicht? Inhaltlich ging es in den letzten drei Jahren ja eher stramm in Richtung Grün und Links. Auch wenn das die CDU/CSU sicher anders sehen möchte. Die SPD kann man auch vergessen, die Genossen liegen verzückt zu Füßen ihres neuen Messias Schulz und rufen im zu, „Martin, erzähl uns etwas mit Gerechtigkeit“.  Tummelte sich bei den Grünen zumindest noch die eine oder andere abgebrochene Theologin, war vom linken Rand und dem dort ansässigen Postmarxistengelichter für Kirchens nichts Gutes zu erwarten. Aber da gab es ja noch eine Gruppe außerparlamentarischer, glaubensfester Mit- und Neubürger, die schon lange und bisher vergeblich für das kämpften, was die christlichen Kirchen an Privilegien längst hatten: Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Genau, die Islamverbände! Die Islamverbände sahen sich als Opfer der Moderne, als Opfer von Rassismus und Islamophobie, den Islam als missachtete Religion und ihre eigene Aufgabe darin, möglichst in jeden Bereich des Lebens einen Pflock des Propheten einzuschlagen. Hauptsache gläubig, sagte man sich in den Kirchen, Pflock ist Pflock. Lasst doch einfach die Muslime die Glaubenskämpfe der Kirchen führen! Doch wie fängt man das an?

Glaube sei Bürgerpflicht

Ist Ihnen eigentlich auch schon aufgefallen, dass die publizistischen Auseinandersetzungen dieser Tage, immer wenn es um Krieg, Vertreibung, Flüchtlinge, Migration und Zukunft geht, immer entlang der Begriffe muslimisch und christlich verlaufen? Unvergessen ist mir der Spruch von Frau Käßmann, die vom moralischen Feldherrenhügel aus rief „Gehen Sie sonntags in die Kirchen, dann müssen Sie keine Angst vor vollen Moscheen haben“. Man könnte der Generalin der Lutheraner entgegenschleudern, dass ihr diese Worte am einem Sonntag vor einer koptischen Gemeinde in Kairo wohl etwas kleinlauter von den Lippen gehen würden, aber bleiben wir argumentativ ruhig erst mal in Deutschland.

Denn dort sind es ausgerechnet die Konfessionslosen, Ungetauften, Ausgetretenen, vom Glauben zum Wissen konvertierten, Drei-Tage-Juden und Weihnachtschristen die in diesem Land die Mehrheit bilden – warum sollten die sonntags in die Kirche gehen?

Und dann fällt plötzlich das Licht der Erkenntnis auf Kirchturm und Minarett! Der Islam ist taktisch nützlich für die Kirchen, denn er verfügt über Zähne, die den christlichen Kirchen längst ausgefallen sind, oder die ihnen bereits in der Zeit der Aufklärung gezogen wurden. Des einen verhaltenes Bauchgrummeln ist des anderen Folklore. Apostasie oder Homosexualität werden im Islam nicht toleriert, sondern exekutiert. Das mittelalterliche Weltbild, das in den meisten islamischen Ländern zementiert ist, wird in großem Stil nach Europa importiert und soll hier, so wollen es die Kirchen, auf maximale Toleranz und Nächstenliebe treffen. Sollen doch die Muslime die Kämpfe mit der säkularen, gottlosen Gesellschaft führen, zu denen die Kirchen nicht mehr in der Lage sind. Und wäre es nicht toll, werden sich die Kleriker denken, wenn Blasphemie wieder etwas wäre, das man sich nicht nur gegenüber dem Islam und seinem Propheten lieber nicht traut? Doch ich fürchte, wenn es in dem Ausmaß weiter geht, wird auf den Trümmern unserer Gesellschaft leider nicht gut kirchenbauen sein, weil nach dem Ende der „säkular-dekadenten“ Gesellschaft keine Dividende an die nützlichen Idioten der islamverstehenden Kirchen ausgezahlt wird. Dann wird es heißen Schahāda, Dhimmi oder Tod. Da sage noch jemand, man hätte keine Wahl.

Mehr Monstranz als Substanz – der Kardinal und die Obergrenze

Kardinal Woelki, der Oberhirte des Erzbistums Köln, sendet über domradio.de regelmäßig frohe Botschaft an die Gemeinde. Am 19.3.2017 ging es um eine „Obergrenze“.

Dass ein römisch-katholischer Kardinal ein Gleichnis aus dem Verkehr bemüht, um seinen Kokolores zu bebildern, übersehen wir im Sinne einer sachlichen Debatte mal eben*, auch wenn mir die Androhung eines Bußgeldes wegen Geschwindigkeitsüberschreitung als Vergleich mit einer Obergrenze für Flüchtlinge absurd erscheint. „Gottes Wort fordere eindeutig eine Obergrenze – du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“ Das klingt auch nach Untergrenze und nach Mittelding, ist also ein alberner Vergleich. Das bedeutet, so der Bischof, „wenn ich hier in Freiheit und Sicherheit lebe, muss ich diesen Wunsch nach Freiheit und Sicherheit auch den Menschen ermöglichen, die bei uns Schutz suchen – wenn ich ein gutes Dach über dem Kopf habe und immer genügend zu essen, dann muss ich mich dafür einsetzen, dass auch für Flüchtlinge das gilt. Wenn ich will, dass meine Kinder zur Schule gehen, dann darf ich mich über Flüchtlingskinder in der Klasse meiner Kinder nicht aufregen.“

Darf man einen Kardinal korrigieren –  oder sagen wir vorsichtiger: ergänzen, wenn er aus der Bibel zitiert? Ach, was habe ich schon zu verlieren – er ist ja kein Imam und kann nicht mit Fatwas um sich werfen. Also, Eminenz, die Sache mit der Nächstenliebe ist ja wirklich eine tolle Sache und auch sehr zentral, das muss ich zugeben. Die Idee ist sogar schon sehr sehr alt. Diese findet sich nämlich bereits im dritten Buch Mose, (19.18) und lautet vollständig: „Du sollst nicht rachgierig sein noch Zorn halten gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Nun bedeutet die Einschränkung „gegen die Kinder deines Volkes“ natürlich nicht, dass man andere einfach totschlagen solle oder dürfe. „Die Welt zu Gast bei Freunden“ haben wir schließlich 2006 geübt und uns in das tolle Gefühl des Gemochtwerdens verknallt.  Aber die Attitüde, mit der feine Herr Kardinal fordert, dass wir Freiheit und Sicherheit auch anderen ermöglichen müssen, wenn wir sie selbst genießen, verstößt gegen den Rechtsgrundsatz „ultra posse nemo obligatur“ – niemand ist über seine Möglichkeiten hinaus verpflichtet.

Und wenn der Kardinal der fettesten Diözese der Welt sich vor eine Kamera stellt, um der Welt mitzuteilen, es genüge nicht, abgetragene Hemden in die Container der Caritas zu stopfen. Wenn er erklärt, man müsse ja nicht sein letztes Hemd geben, was bedeutet, das vorletzte dürfe es ruhig sein. Wenn er erklärt, auch ihm falle das „nicht immer leicht“, dann kommen mir biblische Pharisäer-Gleichnisse in den Sinn. „Ein gutes Dach über dem Kopf und immer genügend zu essen“ hat der Kardinal jedenfalls – selbst in der Fastenzeit.

Vielleicht fällt es ihm ja wirklich schwer, in seinem kleinen Kellerswimmingpool seine Runden zu drehen, weil ihm dabei die Schlauchboote in den Sinn kommen, die auf dem Weg über’s Mittelmeer sind, um ein Hemd von Kardinal Woelki zu ergattern. Vielleicht denkt er auch an die Untergrenze, die es für die Flüchtlinge in ihren Heimatländern gibt, weil es eben nicht die ärmsten der Armen sind, die sich auf den Weg machten und machen – diese können sich die Kosten für die Schlepper gar nicht leisten. Vielleicht denkt er an die Obergrenze dessen, was ein Land an Exodus verkraften kann, bevor es völlig und endgültig kollabiert? Ob Herr Woelki seine protestantische Kollegin Käßmann in sein Obergrenzengebet einschließt, obwohl diese zur Begrüßung des Reformationsjahres zur Datums-Obergrenze jettete, wo sie wie eine keltische Druidin die neue Sonne begrüßte? Vielleicht denkt der Kardinal aber auch daran, dass die Nächstenliebe der Katholischen wie auch der Lutherischen Kirche sehr wohl eine Obergrenze kennt, weil nämlich beide keine Nächstenliebe für AfD-Anhänger haben wollen, und stünden sie ihnen noch so nahe. So weit mag man in Sachen Nächstenliebe nämlich nicht gehen, dass man es mit diesen Aussätzigen hält! Ob es daran liegen könnte, dass die AfD keine Regierungsverantwortung hat? Macht muss wohl doch einen gewissen Sexappeal haben, denn derlei Berührungsängste hatten die Kirchen mit der SED nicht. Und zumindest die Lutheraner auch nicht mit der NSDAP.

Vielleicht geht mich der devote und servile Grundton der Kirchenoberhäupter dieses Landes in Bezug auf den Islam ja absolut nichts an, aber ich anerkenne nun mal die Impulse sehr, die das Christentum in der Kunst, der Musik, der Sprache, der Architektur und der Literatur dieses sogenannten „Abendlandes“ gegeben hat – nicht immer freiwillig und meist mit dem Hintersinn der Prachtentfaltung, der Alleinherrschaft und der Kontrolle über andere Menschen. Aber ich würde diese kulturellen Aspekte sehr vermissen, wenn sich das Christentum weiter in Richtung eines Dienstleisters und Leibwächters des Islam in Europa entwickelt – und mal so ganz nebenbei bemerkt gleichzeitig im Nahen Osten (außer in Israel) im Verschwinden begriffen ist. Diesen Euphemismus ziehe ich sofort zurück und benutze ein treffenderes Wort: sie verschwinden nicht, das klingt viel zu schicksalhaft. Sie werden vernichtet – und zwar auch von dem Islam, dem Kardinal Woelki in Deutschland keine Obergrenzen auferlegen will.

Bei jeder Gelegenheit werfen sich die Amts- und Würdenträger, katholische wie protestantische, wie die Bodyguards hin und her, um noch die kleinste Herabsetzung des Islams zu verhindern. Glaube sei Glaube, da dürfe man kein Ressentiment zulassen. Ich habe Christen kennengelernt, denen vor Verzückung Tränen der Rührung in den Augen stehen, wenn sie erfahren, dass Jesus und Maria auch im Islam verehrt werden. Es ist, als würde sich ein Ausgeraubter darüber freuen, dass seine Bilder sich hübsch an den Wänden des Diebes machen, obwohl er sie falsch herum aufgehängt hat.

Ich will hier nicht die ganze Geschichte der „Prophetwerdung“ Mohammeds aufarbeiten, von den anfänglichen Versuchen, durch Speiseregeln und Gebetsrichtung Jerusalem die Juden auf seine Seite zu bringen oder durch die Verehrung Marias die Christen von seiner Rechtmäßigkeit als Prophet zu überzeugen. Das sind theologisch Details, um die sich Historiker und Theologen kümmern mögen. Was ich sehe und kritisiere ist die heutige institutionalisierte christliche Servilität gegenüber muslimischer Gewalt, Gewaltbereitschaft, religiöser Intoleranz und der muslimischen Art, Frauen- und Minderheitenrechte zu „interpretieren“. Als bislang schönster weil augenfälligster Beweis dieser Dienstfertigkeit darf der Besuch der beiden deutschen Kirchenfürsten Marx und Bedford-Strohm auf dem Tempelberg gelten, bei dem sie ihre Kreuze ablegten. Dem Hahn aus der Petrusgeschichte wäre das dreimalige Krähen sicher im Hals stecken geblieben, pikanterweise soll diese Geschichte ja nicht weit entfernt vom Tempelberg stattgefunden haben.

Genauso peinlich verlaufen auch immer wieder die diversen interreligiösen Aktivitäten, bei denen es immer nur die christliche Seite ist, die auf die islamische zugeht und von Toleranz und monotheistischer Brüderlichkeit phantasiert. Als am 15.3.2016 der kairoer Großimam Ahmad Mohammad al-Tayyeb im Bundestag sprach, erntete er großen Applaus für seine Rede, welche die anwesenden Abgeordneten dem kulturellen „Dialog“ zurechneten. Dabei hatte der Imam rein gar nichts gesagt, was diese Annahme untermauerte. Sein Tenor: Islam, das bedeutet Frieden und Menschenrechte. Ja, das glaube ich auch. Friede nach der Unterwerfung und Menschenrechte, wie sie die Scharia definiert. Zu blöd, dass man sich im Falle ihres Eintreffens diese Zukunft nicht mal mehr „schön saufen“ könnte.

Die ausgestreckte „christliche Hand“ bleibt in der Luft hängen, zieht sich ungeschüttelt zurück, wird aber zum Zeichen der Dialogbereitschaft im Selbstgespräch erklärt. Die Kirchen schaffen es nicht, klare und unverhandelbare Standpunkte gegenüber dem Islam zu formulieren. Wäre das wirklich ein Problem? Bestünde anderenfalls die Gefahr, dass die Schäflein der Gemeinden spontan „das Kreuz nehmen“, „Deus le vult“ brüllten und sich auf den Kreuzzug begeben würden? Bedeutet „Dialog auf Augenhöhe“ nicht gerade, dass man genau weiß, wo man steht und das auch klar formulieren kann? Ist das Gegenteil von „unreflektiert rumkuscheln“ wirklich Abgrenzung und Hass? Ich glaube nicht.

Ok, wenn ein Heide wie ich sowas sagt, erscheint das natürlich nicht sehr belastbar. Aber ich könnte Jesus zitieren und dessen Wort soll ja in der Christenheit immer noch ein gewisses Gewicht haben. „Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin der Messias!, und sie werden viele irreführen. Ihr werdet von Kriegen hören und Nachrichten über Kriege werden euch beunruhigen.“ (Matthäus 24:3­8.)

Wie wäre es mal mit diesem Zitat bei einer interkulturellen Begegnungsrunde des evangelischen Häkelkreises Buxdehude anlässlich des Geburtstages des Propheten? (Notiz an mich: am 19. April Glückwünsche zum 90. Geburtstag an Joseph Aloisius Ratzinger senden.)

Religionen in Deutschland und die Zumutungen der Moderne, ein Versuch der Desensibilisierung

Gerade las ich von einer Untersuchung, bei der die Frauen unter den Flüchtlingen nach ihrer Lage befragt wurden. Besonders sie Syrerinnen äußerten Angst vor Kulturverlust – eine „Phobie“, die jeder, unabhängig vom Herkunftsland und seinen persönlichen Präferenzen sehr gut nachvollziehen kann. (Übrigens ein Grund dafür, warum sich eine Verteilung von Flüchtlingen über die EU bei gleichzeitig offenen Binnengrenzen nicht machen lässt. Doch das nur am Rande.) Vielleicht sollten wir den Migranten nicht nur durch Deutschkurse, kostenlose medizinische Versorgung und sozialen Zuwendungen zeigen, was ihnen winkt, sondern auch, was ihnen blüht, indem wir ihnen klarmachen, dass sie ihren Glauben auch ablegen oder wechseln dürfen, offen zu ihrer Homosexualität stehen oder unverheiratet bleiben können. Unsere Zeitungen sollten empört auf rassistische oder unzureichend gegenderte Predigten in Moscheen reagieren und öffentliche Entschuldigungen von den Imamen fordern. Wir brauchen Queerness-kompatible Toiletten in Moscheen und Frauenquoten von 30% in Moscheevorständen – ganz zu schweigen von einer Kampagne „Meine Moschee braucht eine Imamin“ zu der das Familienministerium gefälligst die Mittel bereitstellen soll. Außerdem wäre da ja noch der Bedarf an traditionell vor dem Imam geschlossenen muslimischen Ehen von Schwulen und Lesben. Das alles sind Kämpfe, mit denen sich die Bewohner dieses Landes seit einiger Zeit die Langeweile vertreiben und als Religion in Deutschland steht man natürlich mittendrin in diesen Debatten. Da können wir für den Islam keine Ausnahme machen, weil wir diese den Kirchen auch nicht gewähren.

Da sind wir doch sicher einer Meinung, Herr Woelki!

* Ich verkaufe bessere Vergleiche für drei Pater noster, vier Ave Maria und fünf Euro. Beim nächsten mal einfach per Mail anfragen.

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9 Kommentare

  1. Die wirkliche Matrix, in der sich die halbwegs zivilisierte Menschheit seit 3200 Jahren befindet, braucht keine „Maschinen“ wie im Kinofilm „Matrix“ bildlich dargestellt, sondern ist „nichts weiter“ als die Summe aller Vorurteile und vorgefassten Meinungen, die der „Normalbürger“ nötig hat, um „diese Welt“ für die „beste aller möglichen Welten“ zu halten. Wie weit das von der Wahrheit entfernt ist, hatte schon im 19. Jahrhundert der Philosoph Friedrich Nietzsche erkannt. Obwohl ihm das erforderliche Basiswissen noch fehlte, kam er zu einem ganz erstaunlichen Ergebnis:

    „Diese ewige Anklage des Christentums will ich an alle Wände schreiben, wo es nur Wände gibt, – ich habe Buchstaben, um auch Blinde sehend zu machen… Ich heiße das Christentum den Einen großen Fluch, die Eine große innerlichste Verdorbenheit, den Einen großen Instinkt der Rache, dem kein Mittel giftig, heimlich, unterirdisch, klein genug ist, – ich heiße es den Einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit…“
    (Der Antichrist, 1888)

    Es muss betont werden, dass dieses Zitat nicht als Beschimpfung, sondern als das Resume einer umfassenden und ehrlichen Analyse zu verstehen ist. Wer für die ungeheure Perversion dessen, was sich bis heute „Christentum“ nennt, die passenden Worte finden will, hat es außerordentlich schwer. Hätte Nietzsche erfahren können, um wieviel giftiger, heimlicher, unterirdischer und kleinlicher sich der Racheinstinkt nach heutigem Wissen darstellt, wären wohl auch ihm die Buchstaben ausgegangen. Glücklicherweise ist der Schandfleck nicht unsterblich, sondern steht kurz vor dem Ende, sodass es an der Zeit ist, den Fluch aufzulösen.

    Perversion bedeutet Umkehrung, und in diesem Fall wurde die Lehre des Jesus von Nazareth in ihr Gegenteil verkehrt. Nicht die gesamte bisherige Science-Fiction Literatur, sofern es sich um positive Utopien handelt, könnte einen Eindruck von der überwältigenden Großartigkeit einer alternativen Gegenwart vermitteln, in deren Vergangenheit die Erkenntnis des Jesus von Nazareth schon zu dessen Lebzeiten praktisch angewendet worden wäre. Man stelle sich vor, der heutige Stand des Wissens und der Technologie wäre bereits im dritten oder vierten Jahrhundert erreicht worden, während Armut und Krieg schon genauso lange überwunden und Umweltverschmutzung und -zerstörung niemals Thema gewesen wären. Von dort aus noch einmal siebzehn Jahrhunderte in die alternative Zukunft zu extrapolieren, wäre nicht einmal für die äußersten Grenzen des Möglichen noch zulässig. Was Jesus entdeckte, lange bevor es in „dieser Welt“ schon vor einem Jahrhundert wiederentdeckt und aufgrund militanter Blödheit bis heute nicht verwirklicht wurde, ist nichts Geringeres als der eigentliche Beginn der menschlichen Zivilisation:

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2017/04/das-zivilisatorische-mittelalter.html

  2. Wow. Danke für dieses Zeilen.
    Dass ich so etwas noch lesen darf 😀
    Es gibt ja m.E. kaum noch humanistische / „humanistische“ Verbände, die die Kirche tiefgehend kritisieren.
    Müssen wir’s eben selber machen.

  3. ‚Das Säkulare war auf dem Vormarsch, der Atheismus blühte, die vielzitierte Aufklärung, deren Mangel dem Islam so oft und zurecht vorgeworfen wird, war ja schließlich nichts anderes, als die Emanzipation des Menschen von den Dogmen des Glaubens und seinen Institutionen, ‚
    Das ist zugleich richtig und falsch. Die Aufklärung richtete sich gegen die blinde Akzeptanz von Autoritäten und Ordnungen und für die Nutzung des eigenen Verstandes. Dass sich eine Institution Kirche dagegen wehrt, liegt auf der Hand.

    Der christliche Glaube ist dagegen nicht auf menschliche Autorität gebaut, auch nicht von letztlich selbsternannten Priestern und Lehrern. Er fordert in radikaler und konsequenter weise: ‚Prüft alles, das Gute behaltet‘ in 1 Thessalonicher 5,21 … und legt damit den Grundstein der Aufklärung. Es dauerte nur recht lange, bis dieses Selbstverständnis an Breite gewann. Ich verstehe die Aufklärung darum auch als eine weniger spirituelle Refombewegung des Christentums. Weder Kant noch Voltaire wandten sich gundsätzlich gegen den Gottesglauben, sondern gegen einen blinden Glauben, der die Gottesgabe der Vernunft verachtet.

    Für mich aber ist klar: Da wir grundsätzlich keine absolute Erkenntnis haben können, heißt das nicht, dass es kein Absolutes gibt, sondern dass wir stets auf irgend eine Form des Für-wahr-haltens zurückgeworfen sind – auch Atheisten und Agnostiker. Glaube unterscheidet sich darum lediglich in Inhalten. Aus der banalen Erkenntnis, das Glaube auch nie völlig rational ist, kann nicht auf das Gegenteil geschlossen werden: Glaube kann nur dann intellektuell redlich sein, wenn er sich der rationalen Überprüfung stellt und denkmöglich bleibt.

  4. Vielen Dank für diesen Artikel, der auch meine schon lange gehegten Gedanken (und Gefühle) zu diesem Themenkreis sehr gut wiedergibt. Besonders wichtige Sätze sind m.E.:

    „…., aber ich anerkenne nun mal die Impulse sehr, die das Christentum in der Kunst, der Musik, der Sprache, der Architektur und der Literatur dieses sogenannten „Abendlandes“ gegeben hat – nicht immer freiwillig und meist mit dem Hintersinn der Prachtentfaltung, der Alleinherrschaft und der Kontrolle über andere Menschen. ….“
    „….Das Säkulare war auf dem Vormarsch, der Atheismus blühte, die vielzitierte Aufklärung, deren Mangel dem Islam so oft und zurecht vorgeworfen wird, war ja schließlich nichts anderes, als die Emanzipation des Menschen von den Dogmen des Glaubens und seinen Institutionen, also den Kirchen. ….“

    Mir gelingt es, einerseits die Wurzeln und die historische Entwicklung unserer identitätsstiftenden Kultur (an)zuerkennen und zu würdigen, andererseits die Kirche(n) in ihrem hartnäckigen Bestreben, verlorene Kontrolle, Macht und Herrschaft über die vom Glauben befreiten Menschen zurückzugewinnen, als feindliche Organisationen zu betrachten. Solange zu wenige unserer Mitbürger diese Diskrepanz sehen und bereit sind, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, wird unsere Gesellschaft weiter ungebremst auf ihr Verderben zuschleudern.

    • Ich sehe in der heutigen Amtskirche einen Verrat am Auftrag Jesus. Sie sind windelweiche ‚me-too‘ -Mitläufer bei fragwürdigen NGOs. Eine harsche Kritik am Schmusekurs mit den Mächtigen ist nur allzu berechtigt. Aber ich sehe kein hartnäckiges Bestreben, verlorene Kontrolle, Macht und Herrschaft über die vom Glauben befreiten Menschen zurückzugewinnen.

  5. Der Verfasser Roger Letsch bezeichnet sich als einen Heiden. Sicher wird er kein apostolisches Glaubensbekenntnis ablegen und allenfalls einen Respekt des Christentums gegen ihre zivilisatorische Leistungen entgegen bringe. Aber dafür hat er zu viel Bibelkenntnis. Ich dagegen bekenne mich zu Jesus und glaube, dass er letztlich der Retter aller ist.

    Nominell trennt mich somit einiges von Herrn Letsch – aber dennoch fühle ich mich ihm mehr verbunden als vielen Vertretern der Kirche, die seine Kritik zu Recht trifft. Denn Christen sind da, um das Evangelium zu verkünden. Das ist eine starke Botschaft der Liebe, der Dialektik von Hingabe und Überwindung. Dagegen hat das Anbiedern an eine Ideologie, die den Kernbotschaften des Evangeliums fundamental widerspricht, nur erbärmlich und Verrat an Jesus.

    Letsch zitiert das Liebesgebot zu Recht. Zusammen mit dem Gebot in Markus 12,30 ‚und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft‘ (5. Mose 6,4-5).

    Manche Christen meinen dann, dass es ja schließlich nur einen Gott gäbe, Und darum würden Muslime eben den gleichen Gott anbeten. Nur erkenne ich den Gott, der sich in Jesus offenbarte nicht als den, den Mohammed verkündigt. Offensichtlich fällt es schwer, dann vom gleichen Gott zu sprechen, sondern weit eher von einer Irrlehre. Wie können sie dann zwei gegensätzlichen Gottesbildern zugleich lieben wollen? Heißt es nicht, dass dann eine Beziehung zwingend leidet?

    Die zitierte Nächstenliebe kann sich aber nicht in einer schalen oder süßlichen politischen Korrektheit ergießen. Jesus verstand dagegen das Eigeninteresse als die selbstverständliche Grundlage. Aus diesem Selbstverständnis heraus konnte er Hingabe nicht als Gesetzespflicht, sondern als Akt der Liebe vorleben. Es kann nicht Liebe sein, Menschen, die einem falschen Gott folgen, in ihrem Irrtum ohne Aufklärung zu belassen.

  6. Was mich wundert ist etwas anderes. Wieso hat DITIB seinen Sitz in Köln und nicht in Berlin? Wieso sind auch andere wichtige islamische Institutionen im Umkreis von Köln angesiedelt? Hat das etwas mit dem „Golgenden Apfel“ zu tun? Die Vermutung liegt für mich sehr nahe.

  7. Zunächst mal muss ich widersprechen, wenn es um das mittelalterliche Weltbild in islamischen Ländern geht:
    Das Problem ist eben nicht das Mittelalter, sondern die Entwicklung des Islam in den letzten 200 Jahren. Das Erstarken von Salafismus und Wahhabismus sind ein Phänomen der Moderne. Auch das Ständige Herumreiten auf dem Thema „Kreuzzüge“ ist noch längst nicht so alt, wie man vielleicht meinen könnte.
    Im (Hoch-) Mittelalter galten Jerusalem und Palästina für die Muslime als Peripherie. Die Musik spielte in Bagdad oder Kairo. Jerusalem galt zwar als heilige Stadt, das schon, allerdings waren diesbezüglich die christlichen Kreuzfahrer deutlich stärker ideologisch „aufgeladen“, als ihre muslimischen Gegner.
    Auch theologisch war man islamischerseits im Mittelalter deutlich pluraler aufgestellt als heutzutage. So gab es durchaus Gelehrte, die den Koran vor allem als poetisches Werk betrachteten und weniger als eine reine Ansammlung von Geboten und Vorschriften. Auch mit Mystik konnte man damals -im Gegensatz zu heute- noch etwas anfangen.
    Heute, so könnte man meinen, ist das muslimische Pendant zu einem Konglomerat von Teaparty und evangelikalen Hardlinern weiterhin derart auf dem Vormarsch, dass man nur sagen kann:
    Eine Rückkehr ins Mittelalter wäre für den heutigen Islam als Fortschritt zu verbuchen. Es wäre eine Re-formation, im ursprünglichen Sinne des Wortes.

    Von den Kirchenoberen würde ich mir wünschen, dass sie den christlich-muslimischen Dialog dazu nutzen, den Muslimen aufzuzeigen, was alles im Laufe der letzten Jahrhunderte verschütt gegangen ist; dass die heutige, vom Wahhabismus geprägte, Gestalt des Islam keineswegs in Stein gemeißelt ist und es Alternativen gibt. Dies aufzuzeigen wäre eigentlich Aufgabe des Bildungsbürgertums in den islamischen Ländern , allein: Es gibt kaum ein solches. Dort wo es zumindest Ansätze hierfür gab (Iran,Irak, Libyen, Syrien), hat der Westen sie weggebombt, bzw. kaputtsanktioniert.
    Benedikt der XVI. hatte seinerzeit mit seinem Manuel-Zitat in seiner Regensburger Rede einmal versucht, darauf hinzuweisen, dass die islamische Welt in puncto Toleranz schon einmal weiter war: Da kann ein christlicher Staatschef provozierend fragen, was Mohammed denn Gutes gebracht habe und bleibt trotzdem am Leben! Es gibt keine Fatwa, keine Terroranschäge, keinen Aufruf zum Djihad deswegen. Wie sehr sich die Zeiten doch ändern.

    Ich würde mir, insbesondere von unseren deutschen Kirchenoberen, auch mehr innerchristliche Solidarität wünschen. So stehen z.B. in der Hackordnung in Flüchtlingsunterkünften Juden, Christen und andere religiöse Minderheiten oft ganz unten. Die Lage der (Nah-)Ostkirchen vor Ort ist ebenfalls alarmierend. Es besteht die reelle Gefahr, dass in ein paar Jahren sämtliche religiösen Minderheiten in der Levante ausgerottet oder vertrieben sind, darunter Glaubensgemeinschaften, die seit gut 2000 Jahren (oder länger!) dort angesiedelt sind.

    Zudem gilt es auch zu unterscheiden zwischen ethischen Fragen auf zwischenmenschlicher und auf systemischer/struktureller Ebene. Dass man Bedürftigen hilft, sollte für Christen selbstverständlich sein. Deswegen muss man aber noch lange nicht glauben, dass es für Hilfsbereitschaft keine Grenzen gibt.
    Schon die ältesten überlieferten Gemeindeordnungen der frühen Kirche kannten das Phänomen, dass christliche Hilfsbereitschaft ausgenutzt wurde und gaben Richtlinien vor, wie dies zu vermeiden sei. So stellt z.B. die „Didache“, aus dem 1. Jahrhundert klar, dass Reisende aufzunehmen und mit Nahrung und Obdach zu versorgen seien, allerdings nur für eine begrenzte Zeit ( in der Regel ein paar Tage), dann sollte man darauf achten, dass sie ihren Unterhalt selbst verdienten oder weiterzogen. Kranke seien gastfreundlich aufzunehmen und zu pflegen, bis sie gesund seien, dann sollten sie entweder weiterziehen, oder ihren Lebensunterhalt selbst verdienen.
    Hätte Kardinal Woelki darüber gepredigt- ich hätte ihm viel eher zustimmen können.

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