„Die Israelis sind ja selbst Schuld an der Warenkennzeichnung“ heißt es. „Warum halten sie auch das Westjordanland besetzt.“ „Diese Siedler sind sowieso die Allerschlimmsten und wenn man mal was gegen Israel sagt, wird gleich die Nazi-Keule rausgeholt“. „Außerdem wurde Palästina von 135 Staaten anerkannt, die sind doch nicht alle Antisemiten!“. „Wer ein anderes Land besetzt, dessen Produkte von dort müssen eben gekennzeichnet werden. Man muss ja wissen, wo die Sachen her kommen“
So oder ähnlich klingen die Verteidigungen der EU-Kennzeichnungsverordnung für die von Israel besetzten und annektierten Gebiete. Und natürlich kommen dann auch reflexartig die Vorwürfe, Israel würde eine aggressive Siedlungspolitik betreiben und bezahle nun den Preis dafür.
Gleiche Behandlung vergleichbarer Fälle. Das würde bedeuten, dass es ebenfalls nötig wäre, Produkte aus Nordzypern, Tibet, West-Sahara usw. entsprechend zu markieren. Nur leider ist davon NICHTS geplant, es geht also NUR um israelisch besetzte oder annektierte Gebiete. Zweitens, wenn ein solches Gesetz noch nicht ratifiziert ist – und das ist es nicht – ist es nicht die Aufgabe privater Organisationen oder von Privatleuten, dem Gesetz vorauseilend durch „Markieraktionen“ in Supermärkten Geltung zu verschaffen! Selbst wenn das Gesetz schon gelten würde, wäre das nicht deren Aufgabe! Auf solche Ideen kommt der Mob nur, wenn es dabei um Israel geht.
Die Keule, von der die Rede ist, ist keine Nazi-Keule. Es ist die Anti-Israel-Klatsche! Denn was Israel als Feindbild angeht, herrscht zwischen der Rechten und Linken traute Waffenbrüderschaft. Es gibt kein Links und Rechts bei den „Israel-Kritikern“. Dieselben Argumente, dieselbe Marschrichtung…und gleichzeitig ein Tabu-Thema! Man mache bloß nie den Fehler auf einer Anti-Israel-Demo der Antifa zu sagen, die Neonazis drei Straßen weiter hätten im Grunde dieselben Parolen…das könnte übel enden.
Es ist Fakt: 135 Staaten UN-Mitgliedsstaaten haben Palästina anerkannt. Palästina ist der Dauerbrenner unter den Themen der UN. Es gibt nichts Wichtigeres auf der Welt, könnte man meinen. Weshalb sich auch die größte Anzahl der Resolutionen und besonders der „Verurteilungen“ mit Israel befassen. Selbst die Suche nach Wasser bei Hawlah war der UN 1955 schon eine Resolution Wert. Vergeblich wird man dagegen zum Beispiel nach Verurteilungen suchen, die den Völkermord in Ruanda 1993 zum Thema haben. Erst 2015 gab es eine zur Einrichtung eines internationalen Strafgerichtshofes für Ruanda. Aber eine Beobachtermission gab es 1994, wie putzig!
Meine Lieblingsresolution, die mit der Nummer 3379, verurteilte im Jahr 1975 den Zionismus als Rassismus und setzte Israels Politik mit der Apartheit in Südafrika gleich. Da waren sich der Ostblock, die gesamte dritte Welt und die Araber aber sowas von einig! Die Resolution wurde 1991 kassiert, mit 111 gegen 35 Stimmen (die der arabischen Staaten). Kofi Annan nannte die Resolution rückblickend einen „Tiefpunkt in der Geschichte der Vereinten Nationen“. Die Geschichte der UN ist leider voll von solchen Tiefpunkten. Ich hatte mal eine Quelle für die Sitzungsprotokolle der Generalversammlung, leider grad nicht zur Hand, aber wenn man dort stöberte merkte man schnell, dass es manchmal ein Segen ist, dass wir hier im Westen nicht jedes Wort erfahren, das in New York bei der UN gesprochen wird. Ein afrikanisches Land, ich weiß grad nicht welches, brachte mal den Vorschlag ein, Maos Geburtstag zum internationalen Feiertag zu erklären. Es stellte sich heraus, dass China damals ordentlich Geld dort investiert hatte. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Was jedes einzelne der 135 Länder bewogen haben mag, Palästina anzuerkennen, könnte man von Fall zu Fall beleuchten. Bei den arabischen Staaten bin ich mir sehr sicher, bei europäischen Ländern auch. Letztere glauben, sie würde den Palästinensern eine Brücke bauen. Eine Brücke von Krieg und Hass zu einem normalen Mitglied der Weltgemeinschaft. Die Solidarität der arabischen Staaten richtet sich aber nicht auf das arabische Brudervolk in Palästina, sondern immer nur gegen Israel. Wie sonst könnte man aktuell die mangelnde Hilfsbereitschaft den syrischen Arabern gegenüber erklären? Was die UN aber NICHT gesagt ist, finde ich interessant: Sie sagte nicht, Palästina umfasst folgende Gebiete, Städte und Orte…
Als Brücke verwendet Palästina die Mitgliedschaft allerdings schon. So kann man jetzt viel einfacher für eine Flut von Erklärungen, Anträgen und Resolutionen sorgen. Zum Beispiel die Idee, Israel aus internationalen Sportverbänden auszusperren – das nenne ich sehr ambitioniert für ein „Land“, das 1972 schon mal eine ganze israelische Olympiamannschaft „von Wettkämpfen ausgeschlossen“ hat!
Wohnst du noch oder siedelst du schon?
Vorweg möchte ich eine Frage in den Raum stellen, auf die ich später noch eingehen werde: Muss überall dort, wo ein Jude ein Haus bauen darf, Israel sein?
Schaut man auf die Karte der Westbank, schüttelt man nur verwundert den Kopf. Das reinste Chaos an Zuständigkeiten, Millitärgebieten, Pufferzonen, Selbstverwaltungsgebieten, Siedlungen…da schon mal nicht mehr die ganze Westbank besetzt ist und die Gebiete in palästinensischer Selbstverwaltung unstrittig zu Palästina gehören, trifft die Bezeichnung „umstrittene Gebiete“ die Lage besser. Denn umstritten sind sie, zweifellos. Besetzt nur noch zum Teil. Unumstritten ist aber auch, dass es Orte in der Westbank gibt, in denen schon seit langer Zeit Juden leben, länger als es den Begriff Westbank überhaupt gibt. Der ist übrigens ab 1948 von Jordanien geprägt worden, als diese westlich des Jordan einen großen Brückenkopf errichtet hatten. Die Westbank eben, ein von Arabern erobertes Gebiet mit Waffenstillstandsgrenzen. Heute gern als etwas betrachtet, was schon der Prophet Mohammed in den Sand gezeichnet hat. Weite Teile dieser Westbank unterstehen nicht mehr Israel, manche nur noch in polizeilicher Hinsicht. Große Orte wie Ariel, Hamra, Bet El oder Kirbet Susa, wo viele israelische Staatsbürger leben, werden geschützt. Israel hat einmal erlebt was es heißt, zehntausend Einwohner aus ihren Häusern zu vertreiben, als Gaza geräumt wurde – das ist so kein zweites Mal denkbar, das hätte Israel fast zerrissen.
Israel hat staatlich geförderte Wohnungsbauprogramme, weil es Verfassungsrang hat, Juden, die aus aller Welt nach Israel auswandern (aus gutem, eigentlich eher üblem Grund), dort heimisch zu machen. Weil verdammt viele arme Schlucker unter den Neuankömmlingen sind, hilft der Staat. Gebaut wird an vielen Orten, auch in den großen Orten in der Westbank. Ob das dort illegal ist, beschäftigt nicht selten israelische Gerichte – und nicht immer gewinnt die israelische Seite die Prozesse. Aber mit diesen Orten haben die Palästinenser die wenigsten Probleme. Für Aufregung sorgen immer wieder die so genannten „Außenposten“, die auch die israelische Regierung nicht genehmigt – im Gegenteil. Nach dem Oslo-Vertrag wurden viele davon sogar geräumt. Die Gerichte befassen sich bis heute mit Klagen der geräumten Bewohner, die sich um ihr Hab und Gut betrogen fühlen. Man kann sagen, Israel kämpft in der Westbank gegen Araber UND Juden gleichermaßen. Andererseits ist das nicht ganz so leicht. Denn da Israel ein Rechtsstaat ist, kann er seinen Bürgern keine Aufenthaltsverbote aussprechen. Wenn also ein Israeli einem Araber ein Stück Land abkauft, kann der Staat rein gar nichts dagegen tun! Genauso wenig, wenn sich ein paar Leute zusammen tun und ein bisschen mehr Land kaufen. „Was?“ werden Sie einwenden, „die Araber verkaufen ihr Land an Juden?“ – ja, tun sie. Häufig werden Strohmänner eingeschaltet damit die Nachbarn nicht herausbekommen, dass man Geschäfte mit dem Feind macht, aber ja, es passiert immer wieder. Und was wird daraus orakelt? Private Initiative wird von der arabischen Seite einfach zu staatlicher Willkür erklärt. Das ist nicht mal böse gemeint, zumindest nicht nur. Man versteht es einfach so. Alle Gewalt, Macht und Initiative geht vom Staat und seinen Organen aus, oder von internationalen Institutionen. Der Einzelne ist nichts vor seinem Staat – so tickt Arabien, so tickt auch Palästina, das ist die Legende von der Siedlungspolitik. Als 2014 die beiden israelischen Schüler entführt wurden und Israel nach ihnen suchte, sagte ein Vertreter der Hamas im Deutschlandfunk „wenn Israel die Schüler vermisst, soll es doch die dafür zuständigen internationalen Institutionen einschalten“. Zuständige internationale Institutionen! Nein danke, Israel hat dafür Polizei und Geheimdienst, die sind zuständig für israelische Staatsbürger.
Kommen wir zur Frage oben zurück, jetzt machen wir mal ein paar richtig pragmatische Vorschläge. Wenn es ein Jude auf sich nimmt, ein Stück Land irgendwo auf einem samarischen Hügel zu kaufen und dort sein Haus zu bauen, muss er eben damit leben, nicht Bürger Israels zu sein, sondern Bürger Palästinas. Er soll dort Steuern zahlen und sich eine palästinensischen Pass besorgen, Palästinensische Polizei soll ihn schützen, palästinensische Gerichte sich mit seinen Klagen oder denen seiner Nachbarn befassen! Es gibt schließlich auch mehrere Millionen Araber in Israel, die auch keine Extrawurst gebraten bekommen. Fragen wir den „Siedler“, was ihm lieber ist. Ein israelischer Pass oder sein Haus auf Land, das ihm vielleicht heilig ist. Man möge sich nicht wundern, wenn die Mehrzahl sich für ihr Haus entscheiden würde! DAS wäre ein Friedensplan, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat! Araber leben in Israel, Juden in Palästina. Und keinen kümmert’s! Ich behaupte, erst wenn das exakt so möglich ist, gibt es Frieden zwischen Israel und Palästina.
Ginge das? Derzeit leider nur theoretisch, wir können also die roten Nelken wieder aus den Gewehrläufen ziehen. Denn das lassen Autonomiebehörde, Fatah und Hamas nicht zu. Die Juden müssen raus, nicht nur aus der Westbank! Wenn es also eine Seite gibt, deren „Siedlungspolitik“ rassistisch und brutal zu nennen ist, dann die Palästinensische!
Und was ist mit dem Zionismus? In der Betrachtung durch den Westen treffen hier Vorurteile auf Missverständnisse und Verwechslungen, deshalb fasse ich mal kurz zusammen: Zionismus ist die in eine nationalistische Bewegung mündende Erkenntnis, dass die Juden ihren eigenen Staat brauchen. Nicht, weil sie Juden bevorzugen, sondern weil sie über die Jahrhunderte schlechte Erfahrungen damit gemacht haben, als geduldete, verfolgte, von Pogromen dezimierte Minderheit im Zweifel schutzlos und als Dhimmis zu leben. Das zieht sich wie ein Blutiger Pfad durch die jüdische Geschichte. Die Shoah war nach 1945 noch die doppelte Unterstreichung der Notwendigkeit dieser Staatsidee, denn Deutschland galt den Juden bis 1933 noch als ein „gelobtes Land“ – was sich als verheerender Fehler erwiesen hatte. Es war der Antisemitismus, der den Zionismus hervorgebracht hat – und zwar unmittelbar!
Nun kann man ja trotzdem generell etwas gegen Nationalismus haben, in dem Fall besonders die Araber. Denn deren Nationalismus, der Pan-Arabismus, ist krachend gescheitert, während der Zionismus einen funktionierenden demokratischen Staat zustande gebracht hat (eine Schmach, welche die Araber den Juden wohl nie verzeihen werden). Stattdessen versuchen sie es nun mit dem Islamismus. Sie sagen, alles andere würde eben nicht funktionieren unter Muslimen und Demokratie sei Teufelszeug – auf diesem Weg ist auch Palästina.
Viele verwechseln den Zionismus einfach mit religiösen Vorstellungen im Judentum. Auserwähltes Volk und so. Aber wenn wir anfangen, Religionen auf solche Aussagen abzuklopfen, finden wir viele hohle Stellen. Charedische Juden lehnen den Zionismus und auch Israel selbst oft ab, weil es nur dem Messias zu stände, seinem Volk ein Land zu schaffen. Den Schutz des Staates hingegen und seine finanziellen Zuwendungen nehmen sie dagegen gern in Anspruch – was ich persönlich für verlogen halte. Wäre Israel ein rassistischer Staat wie damals Südafrika, könnten nicht 2 Millionen Araber als gleichberechtigte Bürger dort leben. Die Realität widerlegt solche rassistischen Vorwürfe spielend, wenn man sie sehen will!
Der Zionismus ist nicht homogen, es gibt viele kontroverse Diskussionen. Ihn aber als rassistische Bewegung zu diffamieren, ist eine Frechheit. Es sei denn, man definieren das Judentum als Rasse – und ich muss wohl nicht sagen, in wessen Fußstapfen man sich dann bewegen würde.