Auf der Suche nach dem verstockten, rückwärts gewandten Rassismus, der die Moderne mit Bitterkeit durchzieht, beleuchtet der Medienzirkus mit großer Geduld jede Arena, in der es eher traditionell und homogen zugeht. Je hellhäutiger, konservativer und christlicher sich etwa ein Milieu in Deutschland gibt, umso leichter und plausibler haftet der Vorwurf der wasauchimmer-Feindlichkeit. Je größer der Kontrast zur erträumten Wunderbuntheit, desto üppiger fällt die Prügel aus. In Deutschland ein kritisches Wort zum Thema Migration und Asyl zu äußern, kommt immer noch einem politischen Selbstmordversuch nahe und genau deshalb sind auch kaum noch solche Worte zu vernehmen. Die Bundesregierung hat nun alle formalen Widerstände, die man aus den geltenden EU-Regeln noch herauslesen konnte, aufgegeben und winkt mehr oder weniger durch. Als Begründung bietet sich – falls doch mal jemand fragt – natürlich der Überallmangel an Arbeitskräften an, welcher mittlerweile in sämtlichen Gewerken des Handwerks, dem Einzelhandel und dem Dienstleistungssektor nach dem verunglückten polit-pandemischen Irrsinn zu beklagen ist. Nur landen die Neuankömmlinge in keiner der klaffenden Lücken, wie uns die Empirie seit Jahren beweist.
Genug, ich will Sie nicht mit der Beschreibung von gesellschaftlichen Wunden langweilen, die hierzulande seit fast einer Dekade schwären. Der Mechanismus, mit dem die Veränderung des Landes, auf welche sich die Grüne Göring-Eckhard bekanntlich wie Bolle freut, ist entscheidend. Zu beschreiben, wie schnell sich eine Gesellschaft zum Negativen verändert, Spannungen aufgebaut werden und Vorurteile sich zu Stereotypen verdichten, genügt völlig.
Nur machen wir das besser nicht in jenem Land, dessen Bürger sich im Fall der politischen Renitenz mit Nazi-Anschmutzungen das Maul verbieten lassen, sondern begeben uns am besten dorthin, wo die vermeintlich besseren Menschen leben, weil sie aus deutscher Sicht gleich mehrere Einträge auf der nach oben offenen Opferskala haben. Erstens den daseinsveredelnden Hintergrund „indigen“, zweitens zum „globalen Süden“ gehören und drittens ein postkoloniales Erbe zu tragen haben, welches per se ihr Vorankommen hindern muss. Sie werden bei der Lektüre feststellen, liebe Leser, dass es keines Planes oder gar einer großen Verschwörung bedarf, um Menschen zum Protest aufzustacheln, weil sie aus ihrer gewohnten Umgebung verdrängt werden. Es genügen schon einige wenige sogenannte Pull-Faktoren, Gelegenheiten und falsche politische Weichenstellungen, um die Saat für das Holz der Straßenbarrikaden der Zukunft aufgehen zu lassen. Also, auf nach Mexiko!
Wir sind die einzigen „braunen Menschen“ – außer den Kellnern
Die Wahrscheinlichkeit, dass in Deutschland schon jemand von der folgenden Begebenheit gelesen oder gehört hat, ist gering. Und wer macht sich schon die Mühe, ausgerechnet in der „Los Angeles Times“ nachzusehen, diesem Hort des durchgeknallten linken Progressismus, wo ein schwarzer Kandidat um das Amt des Gouverneurs von Kalifornien schon mal „the black face of white supremacy“ genannt wird, weil er der falschen (vulgo republikanischen) Partei angehört. Und doch findet sich am 27.7.2022 in eben jener Zeitung ein langer Artikel von Kate Linthicum mit dem verstörenden Titel „Californians and other Americans are flooding Mexico City. Some locals want them to go home“. Und der hat es in sich!
Offenbar ist da etwas, was gerade die sogenannten „digital natives“ aus großen US-Metropolen wie Los Angeles, dem Silicon Valley oder New York City in die Mega-Metropole Mexiko-Stadt zieht, um dort dauerhaft in AirBnB’s oder billig erworbenen Häusern zu arbeiten und zu leben. Steuern zahl man selbstverständlich in der Heimat. Und all das macht in der Summe offenbar etwas mit den Einheimischen:
„Fernando Bustos Gorozpe saß mit Freunden in einem Café, als er feststellte, dass sie – wieder einmal – in der Unterzahl waren. „Wir sind die einzigen braunen Menschen“, sagte Bustos, ein 38-jähriger Schriftsteller und Universitätsprofessor. „Wir sind die Einzigen, die Spanisch sprechen, außer den Kellnern.“
Versuchen Sie mal gedanklich, diese Szene in einem deutschen Café in Anwesenheit eines ZEIT-Reporters anzusiedeln und ersetzen Sie „braun“ durch „weiß“. Undenkbar, oder? Noch dazu für einen Professor! Die Autorin der LA-Times scheint die rassistischen Stereotype jedoch nicht zu bemerken. Sie ist zwar zweifellos auf der Seite der unzufriedenen Mexikaner, – auch wenn sie selbst zu der beargwöhnten Flut der Gringos gehört – stört sich aber eher am eigenen Eindringen in die mexikanische Gesellschaft, als den unfreundlichen Unterton für Problematisch zu halten, der ihr da entgegenschlägt.
Denn was da gerade in Mexiko stattfindet, ist ein zur Karikatur verformtes Migrationsproblem, wie es überall existiert, wo kulturell oder sozial stark unterschiedliche Gruppen sich plötzlich im selben Raum wiederfinden. Nur eben spiegelverkehrt zu dem, was wir üblicherweise medial als gewünschte Migration präsentiert bekommen.
„Mexiko ist seit langem das beliebteste ausländische Reiseziel der Amerikaner […] doch in den letzten Jahren überschwemmte eine wachsende Zahl von Touristen und Fernarbeitern – aus Brooklyn, New York, dem Silicon Valley und anderen Orten – die Hauptstadt des Landes und hinterließ einen Hauch von New-Wave-Imperialismus. Der Zustrom, der sich seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie beschleunigt hat und sich mit der steigenden Inflation wahrscheinlich fortsetzen wird, verwandelt einige der wertvollsten Viertel der Stadt in Auswanderer-Enklaven.“
Mexiko-Stadt ist im Gegensatz zu anderen Landesteilen nicht so stark von Drogenkartellen beherrscht und bietet dank billiger Mieten und überhaupt niedriger Lebenshaltungskosten geradezu ein Paradies für jene, die ihre Brötchen bei Big Tech, hippen Start-Ups oder als Entwickler von Spielen verdienen.
„In begrünten Vierteln wie Roma, Condesa, Centro und Juarez schießen die Mieten in die Höhe, da Amerikaner und andere Ausländer sich Häuser schnappen und Vermieter Langzeitmieter gegen Reisende tauschen, die bereit sind, auf Airbnb mehr zu zahlen. Taquerias, Tante-Emma-Läden und Fondas – kleine, familiengeführte Imbissbuden – werden durch Pilates-Studios, Co-Working-Spaces und schicke Cafés ersetzt, die mit Hafermilch-Latte und Avocado-Toast werben.“
Turbo-Gentrifizierung ist die Folge. Auf Englisch natürlich. Wozu soll man auch spanisch lernen, nur weil man in Mexiko lebt!
„Im Lardo, einem mediterranen Restaurant, in dem an einem beliebigen Abend drei Viertel der Tische mit Ausländern besetzt sind, nahm kürzlich ein Mexikaner in einem gut geschnittenen Anzug an der Bar Platz, betrachtete die englischsprachige Speisekarte vor sich und seufzte, als er sie zurückgab: „Eine Speisekarte auf Spanisch, bitte.“
Die Chilangos, wie die Einheimischen genannt werden, werden langsam ungehalten.
„Kürzlich tauchten in der Stadt Plakate mit Schimpfwörtern auf. „Neu in der Stadt? Arbeiten Sie aus der Ferne?“, war da auf Englisch zu lesen. „Du bist eine verdammte Plage und die Einheimischen hassen dich verdammt noch mal. Verschwinde.“
In Deutschland würden sich bei „Brennpunkt“ und „Lanz“ die empörten Stimmen überschlagen und die Faesernancy würde den Verfassungsschutz von der Leine lassen! Kann es denn sein, dass die Mexikaner genau solche Rassisten sind, wie es dem kartoffelweißen Biodeutsche stets gern unterstellt wird, wenn Fremde in großer Zahl kommen und die Einheimischen sozial mühelos überflügeln? Sei es nun durch klassische Gentrifizierung durch Kaufkraft oder durch den solventen Sugar-Daddy „Sozialstaat“, der den Weg frei macht?
Weder in Berlin noch in Mexiko-Stadt werden ja die echten Luxus-Appartements knapp. Abgeordnete in Berlin oder Carlos Slim in Mexiko werden es verkraften, wenn an der Spree günstiger Wohnraum knapp ist oder in Mexiko-Stadt, wo das Durchschnittseinkommen etwa 450 Dollar im Monat beträgt, Google-Programmierer im „Home Office“ sich schicke Lofts leisten können, obwohl es für 2.000 Dollar in Los Angeles gerade mal für eine Einzimmerwohnung in Koreatown reichen würde. Für geringere Einkommen ist die Situation hier wie da weniger komfortabel.
„Es gibt einen Unterschied zwischen Menschen, die den Ort, an dem sie sich aufhalten, kennen lernen wollen, und denen, die es nur mögen, weil es billig ist“, sagt Videospiel-Designer Hugo Van der Merwe. „Ich habe eine Reihe von Leuten getroffen, denen es egal ist, dass sie in Mexiko sind, sie interessiert nur, dass es billig ist.“
Der Zustrom amerikanischer Besucher begann übrigens 2016. Damals erklärte die „New York Times“ Mexiko-Stadt zum beliebtesten Reiseziel der Welt und Autoren spekulierten, die Stadt sei womöglich das „neue Berlin“. Nun, da könnte was dran sein. Blickt man jedoch auf das Berlin von 2022, ist das nicht unbedingt als Kompliment zu verstehen. Vielmehr als die Ankündigung des unvermeidlichen Scheiterns einer unkontrollierten und von wenigen Pull-Faktoren bestimmen Migration. Ganz gleich, ob sie nun von unten oder von oben kommt.
Ich denke mal, hier wird gerade, bezogen auf einen Zeitungsartikel, ein Schlaglicht auf eine Situation geworfen, die sich wohl so nicht unbedingt verallgemeinern lässt. Wenn John Doe (ob gutverdienend oder allgemein nur Drogensüchtig) Richtung Süden zieht, um seine Dollars auszugeben, im Gegenzug Mex & Co. nach Norden ziehen, um Dollars zu verdienen, ist zumindest ein gewisser Ausgleich gegeben. Migrationgsströme hat es immer schon gegeben. Es wäre halt Sache der Staaten, dabei lenkend einzugreifen. Im Interesse des sozialen Friedens. Per se unschön wird es für das „Gastland“, wenn die mehr oder weniger ungebetenen „Gäste“ ihr eigene (Un)kultur exzessiv ausleben. Wenn die Migration quasi zu einer Kalkuttisierung führt.
Was da geschildert wird, ist eigentlich uralt. Die Mexikaner und die Gringos mögen einander nicht besonders, und zwar gegenseitig. Als ich mit einem Freund 1977 in Oaxaca, ich schreibe das hoffentlich richtig, auf Durchreise war erlebten wir das folgende. Wir konnten beide nur Deutsch und Englisch. Als wir auf einer Parkbank sitzend miteinander Deutsch sprachen, sprach uns ein daneben sitzender Mexikaner äußerst freundlich an, auf Englisch! Der erste Mexikaner auf der Reise , der mit uns in dieser Sprache redete. Er erklärte, dass er erkannt habe wir wären wohl keine Gringos, da wir nicht Englisch sprächen sondern etwas anderes. Er spreche sehr gut Englisch aber nie mit Gringos.
Vor zwanzig Jahren in Paris forderte eine Angestellte im Empfang des Hotels ihre Kollegin auf mit mir statt Englisch auf Französisch zu reden, da sie meinte ich spreche gut genug Französisch und wir wären in Frankreich, so musste ich denn radebrechen. Vive la France. In D undenkbar.
Französisch in Frankreich zu radebrechen ist deutlich höflicher und respektvoller als da perfekt eine Fremdsprache zu reden; pardon. Die Dame am Empfang hatte Recht.
Sie hätten den Affront als Ansporn nehmen können, um beiden Damen eloquente Komplimente zu machen, wenngleich radebrechenderweise – damit hätten Sie gewonnen. Haben es denen aber seit zwanzig Jahren übel genommen. Wie schade.
Der Unterschied ist aber der, das die Amerikaner mit eigenem Geld kommen, es dort ausgeben und bestimmte Wirtschaftszweige damit ankurbeln. Bei uns leben die neuen Zugezogenen von unseren Steuern und schaffen mit ihren Moralvorstellungen und Familienstrukturen erst die Probleme, die wir vorher gar nicht hatten. Außerdem lassen die Amerikaner offenbar ihre Messer und Knarren an der Grenze zurück.
Das ist unbestritten. Ebenso, dass dies zur Blasenbildung führt und leider auch den sozialen Zusammenhalt zerstört.
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