Während die vergleichende Trump-Forschung in Deutschland sich in einem heftigen Richtungsstreit zwischen den Putinologen und Hitleristen befindet, blickte die ganze progressive Welt in der Hoffnung auf die Oscar-Verleihung, Meryl Streep möge sich wieder mal in völlig überraschender Heftigkeit zur Causa Trump zu Wort melden. Die politische Aktivistin wartet aber derzeit noch auf eine demütige Entschuldigung von Karl Lagerfeld, der Trump-Protest muss warten.

Irgendwie schien aber gestern sowieso kaum einer der besserverdienenden Hollywood-Hätschelchen gewillt, einen weiteren abgeschnittenen Pferdekopf in Richtung Weißes Haus zu werfen. Womöglich klopft bei einigen längst die Erkenntnis an, all die Abscheulichkeiten, die Trump versprochen hatte, beträfen ihre Welt aus Privat-Jet, Beverly-Hills-Villa und legal beschäftigtem Dienstpersonal doch nicht so sehr, wie man dank „Pussy-Power“ auf den Straßen New Yorks anfangs befürchtete. Den Protest überließ man deshalb in peinlicher Weise dem iranischen Regisseur Asghar Farhadi anlässlich seiner Oscar-Dankesrede:

„Meine Abwesenheit geschieht aus Respekt vor den Einwohnern meines Landes und den sechs anderen Ländern, denen durch den unmenschlichen Einreisestopp der USA Verachtung entgegengebracht wird“, ließ Farhadi vorlesen. „Wer die Welt in Kategorien von ‚Wir‘ und ‚unsere Feinde‘ einteilt, schafft Angst“.

Das war fies von euch, liebe Oscar-Veranstalter! Wie konntet ihr den armen Mann so ins Messer laufen lassen? Hat ihm keiner erzählt, dass das dilettantisch zusammengerührte Einreiseverbot Trumps im Gegensatz zu einem früheren Einreiseverbot von Obama längst vom Gericht kassiert wurde und außer Kraft ist? Oder wissen die Veranstalter vielleicht nicht, dass in der geliebten iranischen Heimat von Farhadi ebenfalls sehr exklusive Reiseregeln herrschen, dass bereits ein israelischer Passstempel zu großen Problemen führen kann und der Iran einen unrühmlichen Platz in der Spitzengruppe der Länder mit Christenverfolgung einnimmt?

Aber vielleicht versteckt Farhadi hinter seinem Satz „Wer die Welt in Kategorien von ‚Wir‘ und ‚unsere Feinde‘ einteilt, schafft Angst“ in Wirklichkeit ja seine Kritik am Mullah-Regime in seinem Heimatland Iran, von welchem die Welt in eben dieser Weise eingeteilt wird, ohne dass man im Iran gefahrlos und möglichst queer dagegen protestieren könnte. Farhadi ist gebildet genug, um den allgegenwärtigen iranischen Schlachtruf „Tod den USA, Tod Israel“ nicht für Folklore und das leise Knarren der Stricke um die Hälse der erhängten Homosexuellen im Land nicht für Filmmusik zu halten.

Aber vielleicht wollte er ja nicht durch eine unbedachte Äußerung seiner zukünftigen Ausreise aus dem Iran im Weg stehen. Applaus jedenfalls war Asghar Farhadi in Los Angeles sicher, soviel Selbstverachtung gönnt man sich in Hollywood selbst noch in der feinsten Chanel-Robe. Farhadis Protest war daher zwar nicht umsonst, aber genau betrachtet leider auch nicht mehr wert, als ein Motivwagen auf dem Düsseldorfer Karneval.

„Cheap Thrills“, könnte Sia dazu trällern.

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1 Kommentar

  1. Und es wurden in diesem Jahr scheinbar die geforderten ethnischen Quoten eingehalten. Chapeau vor soviel guten Menschen in Outfits, deren Wert die griechischen Schulden halbieren könnte und die nicht mit zwei Jobs versuchen müssen ihre Familien zu ernähren.

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