Gelegentlich erreichen mich Reaktionen von Lesern nicht als Kommentar zu einem konkreten Artikel, sondern sind grundsätzlicher. Für gewöhnlich antworte ich dann per Mail, in diesem Fall jedoch scheint es mit angemessen, etwas ausführlicher und öffentlich zu erwidern. Meinen herzlichen Dank an den Verfasser der Nachricht, auf die ich hier nun Punkt für Punkt eingehen möchte.

„Sehr geehrter Herr Letsch,
über einen Kollegen bin ich auf ihren Blog und achgut gestoßen. Hier ist mir wie schon bei ähnlichen Formaten (reitschuster z.B.) aufgefallen, dass in Bezug auf die aktuelle Politik ständig irgendein mehr oder weniger passender Sozialismusvergleich in die Texte eingebracht wird. Da Sie ja offenbar so wie ich in der DDR mit entsprechender Schulbildung aufgewachsen sind, versuche ich jetzt, meine Bedenken/Meinung zur Diskussion zu stellen:
1. Für junge Leute (<40) ist das keine bewertbare Kategorie. Es wirkt auf sie eher verstörend und es ist ihnen auch egal.“

So wie es das Dilemma des Ideologen ist, Vergangenheit und Zukunft nach den eigenen Maßstäben zu verändern, ist es das Vorrecht des Zeitzeugen, die Gegenwart mit der Elle der erlebten Vergangenheit zu messen. Das funktioniert sicher mal besser und mal schlechter, wie wir noch sehen werden, doch letztlich lässt sich jeder Diktaturvergleich auf einen einzigen Konflikt herunterbrechen: wie gehen jene mit Macht mit denen um, die keine Macht haben, wie begründen sie den Besitz der Macht und wie versuchen sie, diese Macht zu bewahren. Das Regime in der DDR liegt einigen Autoren auf achgut und auch mir selbst historisch am nächsten, auch wenn viele Leser sie nicht mehr bewusst miterlebt haben oder gar erst nach 1990 geboren wurden. Paradox ist jedoch, dass das SED-Regime langsam aus dem kollektiven Gedächtnis rutscht, während der postfaktische Exorzismus des vorangegangenen Faschismus mit der zeitlichen Entfernung immer stärker zu werden scheint.

An die DDR hingegen möchte man nicht mehr daran erinnert werden, die Vergleiche sind lästig, die Gleichsetzung der Linken mit der Partei der Mauerbauer, Ausweisungen und MfS-Spitzel wirkt bemüht, aber überholt. Es redet doch sonst kaum jemand davon und im Geschichtsunterricht sind es eher die Klimasünden der DDR, die relevant sind. Doch hat auch keiner der heute unter 40-jährigen erlebt, zwischen 1933 und 1945 verfolgt, verhaftet, in Lager gesteckt und enteignet zu werden und doch fliegen deren wertenden Zeigefinger durch Land und Blätterwald und brüllen „Nazi“ und „nie wieder Faschismus“. Hier kommt die eigentliche Parallele zum Vorschein. Nicht der Aufbau des Sozialismus ist das verbindende Element, sondern die beschworenen Feindbilder. Um Personal für den Aufbau des Sozialismus werbend hieß es in der SED „wer Nazi war, bestimmen wir“. Man muss nicht mal ein Schelm sein, um da Parallelen zum aktuellen „wer (jeder nicht-Linke) und was (Ölheizung, SUV, Fleischkonsum) Nazi ist, bestimmen wir“ zu sehen. Es mag der Generation Klimakleber also an bewertbaren Kategorien fehlen, jedoch nicht an anmaßenden Bewertungen und ahistorischen Gleichsetzungen, die ihnen sogar noch weniger zustehen als mir die DDR-Vergleiche.

„2. Das Ruinieren eines Landes ist kein Alleinstellungsmerkmal eines sozialistischen Regimes und Demokratie und Kapitalismus/Marktwirtschaft gehören nicht zwangsläufig zusammen.“

Ich möchte umformulieren: es gibt viele Möglichkeiten, ein Land zu ruinieren. Doch nichts führt so zwangsläufig und erprobt in den Ruin, wie Sozialismus. Egal, in welcher Ausprägung. Für gewöhnlich entscheiden die langlebigsten Wirtschaftsgüter über die Dauer des Experiments. In der DDR waren das die Immobilien, das ganze dauerte 40 Jahre. In Venezuela waren es die Förderanlagen für Öl und die Sache war nach zehn Jahre entschieden. Der Kapitalismus hingegen kommt – wenn man ihm einige Freiheiten lässt – als Wirtschaftsform mit recht viel Unbill zurecht. Und er lässt sich korrumpieren, am liebsten mit Subventionen und Dirigismus zum Schaden der Konkurrenz und zu seinen Gunsten. Es gibt also Kapitalismus ohne Demokratie und sogar sehr erfolgreiche Beispiele. Dass es allerdings Demokratie in unserem westlichen Sinn ohne Marktwirtschaft gibt, wage ich zu bezweifeln.

„3. Die Kommunisten sind aus bekannten Gründen gescheitert, aber sie wollten nicht scheitern. Das materielle und kulturelle Lebensniveau sollte immer verbessert werden. Sie wären nie auf die Idee gekommen, funktionierende Kraftwerke stillzulegen. Heute ist die Verarmung gewollt.“

Die Kommunisten, die eigentlich Sozialisten mit der halbreligiösen Vorstellung eines Elysiums „Kommunismus“ für die besseren Menschen der Zukunft waren, sahen den Weg zur Erlösung in einer Fortschreibung der industriellen Revolution, nur unter Ausschluss des Privateigentums und unter der weisen Führung einer erleuchteten, in der Welterklärungstheorie geschulten Elite. Die Subjekte der Anstrengungen dieser Elite kamen dabei nur am Rand vor, oft am Rande der Rebellion, weshalb es ausgerechnet Ulbricht war, der den Aufbau der DDR-Schwerindustrie etwas drosselte, um die Produktion sogenannter Konsumgüter anzukurbeln.

Die fixe Idee, durch zentrale Steuerung und elitärer Erleuchtung (Agora) zum Ziel zu kommen, finden wir heute im grünen Habecksozialismus wieder. Ebenso die Wissensanmaßung und das geschlossene Weltbild. Der Unterschied ist, dass die DDR zu jedem Zeitpunkt ihrer Existenz aus einem Zustand der Unfähigkeit, des Mangels und der Kriegszerstörung heraus handelte, während die Grünen heute auf einer dicken Schicht Wohlstandsbutter ins Tal gleiten. Doch der eine oder andere Mangel ist schon zu spüren und alte „Ulbricht 1.0“ Präferenzen werden wieder sichtbar. Etwa im Bestreben, den Industriestrom zu subventionieren, während die Bürger unter den politisch verschuldeten Energiepreisen leiden. Die DDR lief auf Verschleiß, egal ob in Kraftwerken oder der Industrie. Die späte Bundesrepublik hat auch bereits auf Verschleiß geschaltet, indem etwa stillgelegte Kohlekraftwerke wieder hochgefahren wurden. Es ist nur sehr viel mehr da, was noch verfallen kann.

Es macht im Ergebnis aber keinen Unterschied, ob man moderne Technologien nicht benutzt, weil sie einem nicht zur Verfügung stehen (Industrieanlagen, DDR), oder weil man darauf aus ideologischer Verblendung verzichtet (Kernenergie, Bundesrepublik). Wir befinden uns noch in einem frühen Stadium des Verfalls, in dem sowohl in der Politik wie beim Bürger das „Vorurteil der Normalität“ noch wirkt. Oder wie der Rheinländer sagen würde: „es is noch immer joot jejange!“. Wie „spitz auf Knopf“ es wirklich steht, sehen wir womöglich im nächsten Winter. Wenn dieser in der DDR an die Tür der Mangelwirtschaft klopfte, wurde der „Kampf um die Braunkohle“ ausgerufen und mit verschlissener Technik, hohem körperlichen Einsatz und martialisch-medialen Gebrüll dem gefrorenen Dreck das letzte Bisschen Energie abgerungen, damit die Lichter nicht ausgingen. Die „Losung des Tages“ bekommt der Energiekämpfer des Jahres 2023 dann per App aufs Smartphone.

Das heute die Verarmung im engeren Sinne gewollt ist, bezweifle ich. Ausgenommen natürlich die Propheten des „grünen Schrumpfens“ wie Ulrike Herrmann, die bei ihren Zuhörern Schauer der Wonne auslöst, weil sie sich vorstellen, wie es ihren reichen Nachbarn einst schlecht gehen könnte. Die Verarmung ist nur die Konsequenz aus dem Wissen um das, was passiert, wenn man mit dem Hammer auf alles einschlägt, was Wohlstand und Sicherheit schafft. Doch Habeck und Co. glauben, den Hammer der Schumpeter’schen kreativen Zerstörung zu schwingen und dass überall, wo er niedersaust, blühende Landschaften entstehen. Die Mär von der Verstopfung der Netze durch Atomstrom ist das beste Beispiel. Die haben das wirklich geglaubt!

Die DDR hatte, gefangen in ihrem marxistischen Gedankengefängnis, nicht die Mittel und Methoden, die Verarmung zu beenden. Bergan schieben ist bekanntlich nie einfach. Habeck und Genossen schieben bergab, das geht leichter. Den Reichtum, den sie schaffen wollen, sehen sie im Tal der utopischen CO2-Freiheit. Dass Sie und ich, lieber Leserbriefschreiber, und Robert Habeck so verschiedene Begriffe von „Wohlstand“ haben, ist das eigentliche Problem. Oder um den WEF-Klaus zu zitieren: „You will own nothing als you will be happy“. Und wir dürfen davon ausgehen, dass nicht nur Produktionsmittel gemeint sind!

„4. Im Kommunismus gab es nur Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel. Den Bonzen gehörte nicht einmal ihr Häuschen (s. Honecker). Heute läuft alles kapitalistisch oder marktwirtschaftlich ab. Ob Windmüller, Oberimpfer oder Sonnenstromer, es gibt Firmeninhaber, Geschäftsführer, Börsengänge und keine Betriebsleiter. Und Unternehmer lehnen auch per se staatlichen Dirigismus nicht ab, wenn dieser Gewinne garantiert und Konkurrenz ausschaltet.“

Hier sehe ich zwei Missverständnisse. Und beide haben mit dem ganz oben erwähnten Machtverhältnis zu tun. Erstens: Was hätte es Honecker genützt, Eigentümer eines Hauses in Wandlitz zu sein? Fügt der Besitz eines Hauses irgendeine Qualität hinzu, wenn dir praktisch das Land gehört? Er hatte Verfügung über Sicherheitsdiente, Fahrdienste und Personal, ohne Eigentümer des Hauses zu sein, wo er all das genossen hat. Alle Ampeln in Berlin schalteten auf Rot, wenn Erich im Konvoy und mit eingebauter Vorfahrt nach Wandlitz fuhr. Die Abschaffung des Privateigentums (nicht nur das an Produktionsmitteln) fällt umso leichter, je mehr Zugriff man auf entsprechende Substitute aus der Allmende hat. Wenn das WEF beklagt, es gäbe zu viele Autos in Privatbesitz, wird das einen Politiker kaum empören, solange er über Zugriff auf Fahrdienste samt Chauffeur verfügt. Greta braucht schon deshalb kein Auto, weil sich immer jemand findet, der sie von A nach B bringt. Auch hier sind Vermögen und Privateigentum nicht entscheidend, weil sie durch Macht und die Gewissheit ersetzbar sind, vorrangig Zugriffsrechte auf Ressourcen zu haben.

Zweitens: Das Versagen des Kapitalismus ist heute das Totschlagargument jeder linken Welterklärung. Und es ist falsch. Unsere Wirtschaftsform entfernt sich leider immer mehr von der Marktwirtschaft. Das Missverständnis liegt darin, dass Marktwirtschaft so etwas wie das bevorzugte Biotop der Wirtschaft sei. Es mag das natürliche Umfeld sein, bevorzugt im Sinne einer Wahlmöglichkeit wird es nicht. Das Gift der Marktwirtschaft sind Subvention, staatliche Lenkung und Kumpanei, all das hat in unserem Land ein Ausmaß erreicht, die es in bestimmten Wirtschaftszweigen – etwa der Energieversorgung – schwer machen, noch von Marktwirtschaft zu sprechen. Wenn eine Firma ihre Produkte zu überteuerten Preisen an den Staat verkaufen kann und dafür auch noch Protektion oder den Marktausschluss der Mitbewerber bekommt, wird sie das dem echten Wettbewerb vorziehen, in dem sonst die Möglichkeit des Scheiterns zum Spiel gehört. Wenn das Risiko ausgeschlossen ist, umso besser! Die Energiewende, das Impfdesaster oder krude Maskendeals sind Paradebeispiele für staatlich organisierte Korruption und Lenkung. Die Sonnenstromer und Windmüller mögen keine Betriebsleiter haben, könnten allerdings bruchlos Ortsvorsteher bei den Grünen sein.

Die Herausforderung für die Marktwirtschaft ist es, der Versuchung zu widerstehen, der staatlichen Einladung zum Regeln brechen zu folgen, um sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen. Je schlechter die Marktwirtschaft funktioniert, desto schlechter werden die Ergebnisse und umso verlockender werden Subvention und Staatsdirigismus. Eine Abwärtsspirale. Auch sollte man das Wirtschaftssystem nicht mit dem politischen System gleichsetzen. Singapur beispielsweise ist keine Demokratie im engeren Sinne und doch zählten Wirtschaft und private Eigentumsrechte dort zu den solidesten der Welt. Man kann eben „Glück“ haben mit dem Personal, selbst in einer Autokratie. Denken wir nur an China unter Deng Xiaoping. Oder mit umgekehrten Vorzeichen an Venezuela unter Nicolás Maduro oder Deutschland unter Olaf Scholz und Robert Habeck. In einer funktionierenden Demokratie ist allerdings die Chance größer, nach einer verhängnisvollen Wahl die Hand wieder aus dem heißen autokratischen oder ideologischen Wasser zu ziehen, wenn man sich daran verbrannt hat.

„5. Die Verschmelzung von ökonomischer, staatlich-politischer und intellektueller Klasse (Elite) ist das Kennzeichen des staatsmonopolistischen Kapitalismus (nicht zu verwechseln mit westlicher Stamokap-Theorie), hieß es in der (DDR)-Schule, und: Der Kapitalismus ist global im Sinne der Überwindung nationalstaatlicher Strukturen und anderer Begrenzungen. Aktuell?!

Rot und vor allem Grün haben ihren Frieden mit dem Kapital gemacht. Vielleicht gilt das auch umgekehrt, denn Kulturmarxismus ist ein gutes Mittel zur Machtausübung. Es hat im Rahmen der Entwicklung des Kapitalismus immer schon interne Gewinner und Verlierer gegeben. Die ersten Gewinner waren die Eisen und Stahlbarone, dann kamen Energie und Mobilität und heute sind es Pharma und IT und der Milit.-Ind.-Komplex nimmt eine Sonderstellung ein.“

Nur teilweise aktuell. Wir haben es längst mit einer ideologischen Überformung sämtlicher Akteure zu tun. Es gibt Autobauer, die sich futuristischen Ideen wie dem Verbrennerverbot unterwerfen, aber ihre E-Autos nicht verkaufen können. Es gibt auch renommierte Verlage, die die Werke ihrer Autoren nachträglich gendern und Buchmessen, die Verlage als Aussteller ablehnen. Geschäfte und Gewinne ausdrücklich nicht zu machen und dafür das Lob der Regierung zu erwarten – von Rettungsmilliarden und Subventionen ganz zu schweigen – ist aber gerade nicht der natürliche Modus Operandi des globalisierten, arbeitsteiligen Kapitalismus. Und bei unserer selbsternannten politischen Elite von einer intellektuellen Klasse zu sprechen, geht mir angesichts des Personals unserer Ampelregierung doch zu weit. Vergleiche, die mir hier einfallen, sind eher die Anführer des Kinderkreuzzuges von 1212 oder die religiös-mystischen Visionen einer Jeanne d’Arc. Hier enden in der Tat die Parallelen den grünen zu den klassischen sozialistischen Utopisten, weil letztere zumindest eine in sich geschlossene Theorie hatten, auch wenn es eine völlig unbrauchbare war.

Die „Stamokap“-Theorie aus der DDR-Schule spiegelt in meinen Augen weniger den „Westen“ als unfreiwillig die ökonomischen Zustände der DDR wider, selbst in Sachen Globalisierung. Die (zumindest teilweise noch) frei wirkenden Marktmechanismen im Westen ließen sich mit der sozialistischen ökonomischen Theorie überhaupt nur unzulänglich beschreiben und was dabei herauskam, war immer die Dualität von Ausbeuter und Ausgebeutetem. Dass Transaktionen in einem freien Markt nur Gewinner haben, weil beide Partner das bekommen, was sie wollen, ging nicht in die mit marx’scher Theorie von Arbeit und Geldwert indoktrinierten Schädel.

Die eigene Globalisierung versuchte man denn auch mit den Mitteln der Planwirtschaft zu bewerkstelligen, was zu solchen Totgeburten wie der verordneten Aufgabenteilung im Ostblock führte. Flugzeuge? Baute nur die UdSSR. Computertechnik? Jeder nur einen kleinen Teil vom Ganzen, den aber exklusiv. Die heutigen internationalen Sozialisten sind auch nicht wirklich an der Überwindung irgendwelcher nationalen Strukturen interessiert. Wo Strukturen wegfallen, verschwinden auch die Schnittstellen, an denen sie im Brei sitzen. Nein, es geht vielmehr darum, möglichst viel Struktur zwischen sich selbst und das Elektorat zu bringen, dem gegenüber man letztlich verantwortlich ist. Die Entwurzelung, Struktur-, Traditions- und Bindungslosigkeit verordnet man nur dem Bürger, nicht sich selbst. Oder glaubt ernsthaft jemand, dass irgendein Landesparlament oder Ministerium seine eigene Abschaffung beschlösse, weil die Entscheidungen längst in Brüssel fallen? Das Bundesumweltministerium existiert beispielsweise immer noch, obwohl es nur Entscheidungen von dort exekutiert. Nein, die Strukturen bleiben, weil Strukturen Machtmittel sind. Ist in jedem Sozialismus so gewesen.

Auch halte ist es für ein Gerücht, dass Rot und Grün prinzipiell ihren Frieden mit dem Kapital gemacht hätten. Der Begriff wird hier schon falsch verwendet. Das Kapital im marx’schen Sinne als allokierte, also vorhandene, frei verfügbare und in Investitionen lenkbare Mittel verblasst heute in seiner Wirkung angesichts des politisch scheinbar frei „erschaffbaren“ Geldes, das aber kein Kapital ist, sondern geborgte Zukunft. Vergleichen Sie die Investitionen oder die Marktkapitalsierung der weltweit größten Unternehmen wie Apple, Google oder Aramco mit den Phantastilliarden, welche die EU als „Rettungsschirme“ und die Ampel in Form von „Sondervermögen“ erschafft. Der Zusammenschluss Westeuropas zur Montanunion war noch ein Projekt zur Angleichung von Marktbedingungen (Wegfall von Zöllen), wovon nicht nur irgendwelche „Barone“, sondern die Volkswirtschaften aller Mitgliedsstaaten profitierten.

Wenn heute die Europäische Kommission Geheimverträge mit Pfizer abschließt, fällt das sicher nicht in dieselbe Kategorie, sondern gleicht eher den Verträgen zur Produktion von Möbeln durch Zwangsarbeiter, wie sie IKEA mit der DDR-Regierung hatte. Menschenrechte? Nebensache! Die Symbiose des aktuellen politischen Systems läuft über den Austausch von Subventionen und Versorgungsposten und die gegenseitige Versicherung von Loyalität zur „Sache“, was auch immer „the current thing“ gerade ist. Hier Vergleiche mit der DDR zu ziehen, ist durchaus legitim.

Früher „rettete“ man die Arbeiterklasse, heute das Klima. Man kann ganze Populationen durchimpfen oder den Individualverkehr verteufeln und hat stets willige Unterstützer. Die Abwesenheit militärischer Gelegenheiten (militärisch-industrieller Komplex) hat in Deutschland zur Ausformung des klima-industriellen Komplexes geführt, und zwar vertikal durch alle Ebenen. Lüften und Müll trennen lernt man im Kindergarten, die Schule revidiert das Geschichtsbild und legt die Axt an alle Errungenschaften der Aufklärung, die Medien trennen als Schiedsrichter der Macht gegen die Ohnmacht scharf gutes von schlechtem Verhalten, die Universitäten formen die künftigen Politiker (ein Semester genügt zur Legitimation) und die Besatzungen der Elfenbeintürme, die uns auf einen Wink mit einem Bombardement aus „Studien“ und „Experten“ zudecken. Auch für diese Elite stellt sich wie für Honecker die Frage nicht, ob sie das Haus besitzen, in dem sie wohnen. Man mache nicht den Fehler, den Akteuren zu unterstellen, sie wollten sich materiell bereichern. Macht bedeutet auch, bestimmen zu können, welche Heizung im Keller des Nachbarn zu stehen hat.

„Ich denke, eine Systemdiskussion führt zu nichts, da der Sozialismus unwiederbringlich untergegangen ist. Niemand will so etwas. Es gilt, für Demokratie, Rechtsstaat und Lebensqualität geeignete politische und ökonomische Strukturen zu finden.“

Es handelt sich bei vielen Artikeln auf achgut und auch bei meinen eigenen nicht um Systemdiskussionen, sondern eine Symptomdiskussion. Man erkennt einen Schmerz wieder und erinnert sich, dass auf diesen der nächstgrößere folgte. Vergleichen ist aber nicht gleichsetzen. Ich nehme an, dass die Gründergeneration der DDR auch nicht gewollt hat, dass nach 40 Jahren ein insolventer Überwachungs- und Spitzelstaat entstanden war, der den Westen weder eingeholt noch überholt hatte und stattdessen in den Städten die Pflastersteine aus den Straßen riss, um sie im Westen gegen Devisen zu verkaufen. Der Sozialismus ist als Idee auch nicht untergegangen, er lebt in vielen Parteiprogrammen und Köpfen fort. In manchen sogar wortwörtlich.

Weiter oben schrieb ich: „wie gehen jene mit Macht mit denen um, die keine Macht haben, wie begründen sie den Besitz der Macht und wie versuchen sie, diese Macht zu bewahren“. Versucht man entlang dieser Definition eine Diagnose, sieht es gerade nicht gut aus bei uns. Die am lautesten „Demokratie“ schreien, halten sich nicht an demokratische Spielregeln. Die von der Verfassung den Auftrag haben, den Rechtsstaat zu bewahren, bedienen sich der Geheimdienste für persönliche Zwecke. Auch hatten wir noch bis vor kurzer Zeit politische und ökonomische Strukturen, die unsere Lebensqualität sicherten. Bis jemand mit einem Plan an die Macht kam, das Klima in den Heizungskellern der Deutschen zu retten.

Die Systemdiskussion, wenn man es so nennen will, geht also nicht von uns aus, sie wurde uns aufgezwungen. Von der Gleichsetzung des DDR-Regimes mit dem Ampelwahnsinn ist natürlich abzuraten, das wäre genauso geschichtsvergessen wie die so allgegen- wie widerwärtigen Nazivergleiche. Aber um die Symptome einzuordnen, werde ich auch weiterhin zu jeder mir passend erscheinenden DDR-Analogie greifen. Der Leser muss von Fall zu Fall entscheiden, ob sie treffend oder daneben sind. Ich freue mich über jeden sachlichen Kommentar, besonders, wenn er mir solche Philippiken entlockt.

Vorheriger ArtikelWarum die Amadeu-Antonio-Stiftung Spenden nicht zurückgeben muss
Nächster ArtikelDie „X-Musk“-Klage gegen Boykott-Aufrufer

7 Kommentare

  1. Der Leserbriefschreiber irrt, wenn er meint, das Thema Sozialismus habe sich erledigt, weil „Rot und vor allem Grün ihren Frieden mit dem Kapital gemacht“ hätten.

    Im Gegenteil: Der ganze Hype um „Klima“ ist nichts anderes, als den Sozialismus durch die Hintertür wieder einführen zu können. Die „Kapitalisten“ (Unternehmer) dienen dabei nur als nützliche Idioten. Die „Klima- Kämpfer“ von der weltweiten Linken sind sehr wohl an Enteignungen und der ausschließlichen Verfügung über die wesentlichen produktiven Ressourcen („Produktionsmittel“) interessiert und sagen dies auch offen bei jeder Gelegenheit. Übrigens auch die (leider) von vielen AfD-Anhängern gehypte Sarah Wagenknecht; eine in der Wolle gewaschene Kommunistin. Im Moment ist es nur so, daß die Verfassung sie daran hindert, den Zugriff auch durchzusetzen, und so begnügen sie sich vorerst damit, Unternehmern (dem gemeinen Staatsbürger sowieso) das Leben mit sinnfreien „Dekarbonisierungs“-Verordnungen und ähnlichem Unfug das Leben bzw. Wirtschaften so schwer wie möglich zu machen. Ein Teil der Industrie ist ja schon abgewandert. Daß die Oberdeppen von Wirtschaftsführern auch noch Beifall dafür klatschen, daß man ihre Geschäftsmodelle zerstört, steht auf einem anderen Blatt. Und außerdem macht es Habeck, Lauterbach, Spahn, Scholz & Co. natürlich Spaß, auch mal Kapitalist zu spielen. Sozusagen staatsmonopolistischen Kapitalist, denn: Was ist geiler, ganz ohne Risiko sich und/oder seine Verwandtschaft im Handstreich zu Millionären zu machen? Stichwort „Maskendeals“, Stichwort „Graichen-Clan“, Stichwort „Windkraft-Lobby“… Ich kann dem geschätzten Leserbriefschreiber nur raten, sich von der engen schematischen Definition des Sozialismus/Kommunismus zu lösen und stattdessen ins Herz und auf die A… tasche der Sozialisten zu schauen: Es geht ihnen um Macht, um Geld; darum, ohne mühselige Arbeit auf Kosten anderer zu leben. Um sonst nichts. Und „Klima“ ist das trojanische Pferd, eben dies zu erreichen, ohne sofort als „Stamokaps“ alter Schule enttarnt zu werden bzw. allzu offensichtlich mit dem Grundgesetz, welches den Schutz des Eigentums garantiert, in Konflikt zu geraten. Nein, lieber Kommentarkollege: Der Sozialismus ist nicht tot. Die Eskens und Kühnerts propagieren ihn auch ganz offen. Und außerhalb des klassischen sozialistischen Milieus kommt er in grüner Fratze daher.

  2. Habe selten so einen Artikel sowie auch die Kommentare dazu gelesen. Alle, die hier dazu geschrieben haben, haben recht. Genauso ist es. Fühle mich wie zu Hause. Einfach klasse geschrieben, auch die Kommentare, die auch sehr gut den Artikel ergänzten, Die Frage ist: Wo geht die Reise hin? Hoffentlich nicht wieder in diesen Sozialismus. Ich bin geheilt. Für Euch alle alles Gute.

  3. Das große Problem in Deutschland ist ja, dass meist nichts geklärt wird. Seit 2015 fürchte ich, dass ein Absturz nicht einfach zur Vernunft führt, sondern zu einem Tummelplatz von Verrückten. Die Tatsache, dass Sahra Wagenknecht als Vernünftlerin gilt, stellt uns Deutschen ein fatales Zeugnis aus. In den traditionellen Demokratien streben immer wieder Eliten aus Wirtschaft und Universitätswesen in öffentliche Ämter, um die eine oder andere Sache zu bewegen. Im Phrasendrescherland wird schon eine Kommunistin zum Heiland, weil sie wenigsten mal sagt, was sie denkt. Damit muss ich der Bemerkung oben widersprechen, dass Grüne an Stopfstrom glauben. Da sagt einer von denen mal was und die anderen plappern nach. Grüne glauben nicht. Grüne plappern. Die Partei ist eine absolut neugierfreie Zone.

    Dass für Leute unter 40 der Kommunismus keine bewertbare Kategorie sei, ist Unsinn. Ich glaub, der demoskopisch ermittelte Bereich des größten AfD-Wählerpotentials – die Altersgruppe zwischen 30 und 50 – entwickelt auch die größte Aversion gegenüber sozialistische Bestrebungen. Gruselig finde ich so Leute wie Ursula von der Leyen. Letztere hat angekündigt, eine Circular Economy zu errichten. Das geht nur mit komplett zentraler Planung jeder einzelnen ökonomischen Aktivität. Wenn nichts als Abfall mal zwischengelagert werden darf, den erst spätere Generationen mit Innovationen als neue Rohstoffe entdecken können, wird sämtliches Fortschrittspotential eliminiert. Denn für jede Neuerung müsste man ja die komplette Abfallverwendung erst noch mitplanen. Die ultimative Havannaisierung.

    Die EU-Fürstin ist über 40, aber hier haben wir es mit der Neugierlosigkeit der Machteliten zu tun. Man bräuchte keine „lived experience“, aber man braucht halt Interesse. Und bei Ursula von der Leyen steht dieser dicke, ja, mega fette Elefant im Raum, den man wegen des Beleidigungspotentials nicht ansprechen darf. Nur zur Erinnerung: Sie scheiterte an drei Unis (Göttingen, Münster, LSE) VWL zu studieren und wusste bei ihrer Doktorarbeit im Alter von 33 Jahren noch nicht, wie man – beziehungsweise, *hust*, dass man – zitiert. Ihr Englisch bewegt sich nach vielen Jahren in England und den USA auf einem schwammigen Mikrowortschatz. Töröööö!!!

    Henri Poincaré sagte einst, dass Mathe die Kunst sei, unterschiedlichen Dingen den gleichen Namen zu geben. Sozialismus ist das Gegenteil von Mathe. Es ist die fragwürdige Kunst, tausend Begriffe für den immer gleichen autoritären Dirigismus zu finden und sich mit Wortklauberei aufzuspielen. Bei Lenins Verachtung des angeblichen „Monopolkapitalismus“ könnte man fast auf die Idee kommen, dass die Sozialisten keine zentrale, monopole, Lenkung der Produktion wollen. Aber das ist doch genau das, was Lenin selbst wollte! Das Gegenteil wäre eine Auswahl von Anbietern, ein Markt. Unterscheiden sich die „Systeme“, muss es organisatorische Unterschiede geben. Ob am Klingelschild „Kombinat“ oder „GmbH“ zu lesen ist und ob ein Anwalt die Worte „staatlich“ oder „privat“ verwendet, ist egal. Entweder es gibt eine Auswahl oder man ist von zentraler Planung abhängig. Eins von beiden.

    Eine Bemerkung noch an die Jünger von Merz: Lasst den Sozialstaat und regelt erst mal alles andere!!! Ich weiß, dass er wächst, die Verschuldung groß ist und er auf lange Sicht nicht tragfähig bleiben wird. Aber: Wir haben ein viel größeres Anreiz- und Fehlallokationsproblem. Das ganze Subventionswesen muss abgeschmolzen werden. Die berufsaktivistischen Kreise – viele davon Frauen, die auch in Pflegeberufen ihr Glück finden können, wenn sie besser bezahlt würden – müssen einen Ausstieg hinkriegen. Die Forschung und Lehre müssen neu organisiert werden. Vielleicht müsste man so eine Art zeitlich befristete Patente für weniger originelle Einfälle als Anreizzwischenstufe einrichten, damit Leute wieder mehr Neues probieren. Wir haben im Arbeitsmarkt ein Mismatchproblem, weil die Personalabteilungen zunehmend mit (sehr woken) Konformisten (sorry: aber auch hier meist Frauen) besetzt sind, die verhindern, dass Leute ihre professionellen Potentiale einbringen können. Daraus resultiert ein riesiger wirtschaftlicher Schaden. Wir brauchen klare öffentliche Entschuldigungen für den Jeder-ist-ein-Nazi-Zirkus. Die katholische Kirche hat sich bei Schwulen entschuldigt. Da muss man auf ARD und Co eben auch mal Druck ausüben.

    Yuri Maltsev, einst ein ökonomischer Berater von Michail Gorbatschow, warnt, dass die Sowjetunion am ökonomisch produktivsten war, wenn die meisten Leute ermordet wurden. Angst ist nämlich der einzige Anreiz, der bleibt, wenn man alle anderen Motivationen vergellt.
    https://youtu.be/_APzKXhc3Qk
    (Tut mir leid, dass ich die Stelle nicht raussuche, aber das Video ist auch in voller Länge interessant.)

    Wenn wir nur über Sozialleistungen reden, was eine Pathologie von CDU/CSU und FDP ist, dann reden wir nur noch über Angst als Motivation. Viel, viel wichtiger wäre es, dass die, die leistungswillig sind, endlich den Weg freigeräumt kriegen.

    Das US-Militär hatte die Vorgabe, keine Soldaten mit einem geringeren IQ als 80 zu rekrutieren. Für den Vietnamkrieg hat man sie irgendwann gelockert. Das Resultat waren sehr hohe Todeszahlen und eine Beeinträchtigung der militärischen Gesamtleistung durch die zusätzlichen Soldaten. Der Beitrag für die Wirtschaft von den Leute, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, ist so oder so wahnsinnig gering. Es ist egal, ob der Rasen im Park gemäht ist und das Laub weggeblasen wurde. Macht erst alles andere!

Kommentarfunktion ist geschlossen.