„Sag mir was du isst, dann sage ich dir, wer du bist“ sagt ein altes deutsches Sprichwort. In Anlehnung daran kann man die meisten Menschen schon nach wenigen Minuten eines Gesprächs über Alltag und Politik einem politischen Lager zuordnen, oder, andersherum bei Kenntnis deren Parteizugehörigkeit leicht voraussagen, wie schon die ersten Minuten eines Gesprächs über Alltag und Politik verlaufen werden. Während SPD und CDU heute jedoch eine gewisse Beliebigkeit der Grundsätze an den Tag legen und kaum unterscheidbar sind – beide Parteien würden dies selbst sicher eher „Realpolitik“ nennen – schafft es die Linke immer mehr, sich auf steinzeitkommunistische Klassenkampfpositionen zurückzuziehen. Während es die alten Parteigranden a lá Gysi und Bisky noch schafften, angesichts des gescheiterten sozialistischen Freilandversuchs DDR an passender Stelle ein wenig Zerknirschung und Selbstkritik unter ihre Statements zu mischen, kommt die heutige Führungsebene der Linken gänzlich ohne Selbstzweifel aus.

Die Vorsitzende der Linken, Katja Kipping weiß offenbar genau, was im Argen liegt in der Welt. Besser als jeder andere weiß sie das! Kipping, eine Parteipflanze die durchgehend unter dem Gewächshaus ihrer Partei groß geworden ist und nie Freilandwetter erlebt hat (Schule, Abi, Studium, Parteikarriere) und den „echten“ Kuschelsozialismus der DDR nur noch bis zur sechsten Klasse erleben durfte, lief bei Maybrit Illner am 17.9.2015 zu demagogischer Hochform auf.

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Es dürfe keine Obergrenze der Aufnahme von Flüchtlingen geben, so Kipping. Es fehle uns das moralische Recht dazu, weil wir den „Süden“ ausgebeutet hätten. Mit „Süden“ ist natürlich nicht Bayern gemeint, wie wir später noch erfahren werden. „Süden“ ist aber für Frau Kipping je nach Diskussion immer mal was anderes. Bei Illner meint sie damit Syrien und den Irak. Dem CSU-Generalsekretär Scheuer wirft Kipping „Hetze“ vor, nur weil dieser auf Unterschiede zwischen Kriegs- und Armutsflüchtlingen hinweist und versteigt sich schließlich in Vergleiche zwischen der Politik der CSU und den ausländerfeindlichen Vorfällen in Rostock-Lichtenhagen. Im Übrigen sei die vorbildliche Willkommenskultur der Münchner Bürger nur Ausdruck der „Zivilgesellschaft“ und hätte nichts mit der Arbeit der CSU zu tun.

Das war innerhalb von wenigen Minuten so viel ideologische Dünnbrettbohrerei, dass ich unwillkürlich auf den Tisch vor Kipping schaute, ob dort Späne in Häufchen lägen. Doch dann dämmerte es mir! Das war eine praktische Lektion in sozialistischer Dialektik! Das kannte ich doch noch aus der DDR: Es gibt nichts Gutes im schlechten, die Hilfsbereitschaft der Münchner darf nichts mit der CSU zu tun haben, nicht mal mittelbar! Denn die CSU ist der Feind, der Feind außerhalb des linken Gewächshauses. Man hätte nun sachlich argumentieren müssen dass es den Bewohnern einer durchschnittlich wohlhabenden Stadt wie München sicher auch finanziell leichter fällt, Wasser, Brezen und Duschgel für die ankommenden Flüchtlinge heran zu schaffen. Ein Psychologe hätte im Auftrag der Linken zu dem Schluss kommen können, dass es ja ausgerechnet die wohlhabenden Münchner waren, die von der „Ausbeutung des Südens“ am meisten profitierten und dass das schlechte Gewissen diese nun zum Hauptbahnhof trieb. Für diese Diskussion fehlte aber wohl die Zeit und Scheuer war (zurecht) so zornig, dass er nur noch empört hyperventilieren konnte.  In jedem Fall stellt aber die CSU in Bayern die Weichen, auch wenn die Linke das je nach Bedarf gern mal ausblendet. Konkret in München ist es natürlich die SPD, aber die ist für Kipping ja auch auf der anderen Seite des Schützengrabens.

Frau Kipping ist meines Wissens leider nicht unter den Freiwilligen, die Busladungen von Flüchtlingen in Empfang nehmen, ärztlich betreuen, mit Kleidung und Essen versorgen und sich um deren Unterbringung kümmern, Frau Kipping möchte aber, dass es grenzenlos so weiter geht. Alle Vergleiche mit Booten die voll seien finde ich grässlich. Ich mag handfestere Beispiele. Nehmen wir also Hamburg als Beispiel. Hamburg ist ja nicht voll, in Hamburg kann man entspannt spazieren gehen und auch mal ein ruhiges Plätzchen finden. Hamburg hat Lebensqualität! Wir könnten deutschlandweit so eng oder weit zusammenleben wie in Hamburg. Das gäbe dann in der Fläche rechnerisch Potenzial für etwas mehr als eine Milliarde Flüchtlinge. Nimmt man die Konflikte in Nahost, der Ukraine, Afrika zusammen – und wer wollte bestreiten, dass überall dort die Menschen Anlass haben, zu fliehen und wir sowieso und generell irgendwie Schuld an all dem Elend haben – stellt das in etwa die Vision von Frau Kipping dar. Vielleicht wäre dann auch unsere Schuld für all die Ausbeutung getilgt, die Frau Kipping in der Welt sieht. Aber soweit reicht der Gedanke von Frau Kipping nicht. Ich bin nur persönlich enttäuscht von ihr, weil sie ihre Wohnung in Dresden nicht einer Irakischen Familie zur Verfügung stellt. Schließlich lebt sie ja auf Kosten der Gemeinschaft auch als Abgeordnete in Berlin. Man moss och jönne könne, sagt der Kölner.

Nichts Gutes im schlechten

Wenn man heute fragt, wann das Ende der DDR besiegelt war, bekommt man meist eine von zwei häufigen Antworten. Entweder wird der 9. November 1989 genannt, der Tag an dem die Mauer fiel, oder – etwas weitsichtiger – die Unterzeichnung des von Strauß eingefädelten Milliardenkredits für die DDR im Jahr 1983. Ich glaube, es war schon 1978 so weit. In diesem Jahr importierte die DDR hochoffiziell 10.000 VW Golf aus der Bundesrepublik. Und genau das hätte nach der vorherrschenden Doktrin nie passieren dürfen, schließlich war der zufolge der Sozialismus dem Kapitalismus doch in jeder Hinsicht überlegen. 10.000 trojanische Pferde fuhren nun durch Land, gefahren größtenteils von den Vertretern der Nomenklatura und straften schon durch ihre bloße Existenz die realsozialistische  Politik lügen.

Doch auch fast 40 Jahre später bekommt die Linkspartei (diesmal die neue Generation) die Ideologie nicht aus dem Schädel – zumindest solange sie als Opposition warm und trocken sitzt und die vom ausbeuterischen Steuerzahler garantierten Diäten pünktlich kommen. Das die CSU mal irgendetwas richtig macht, bekommt man bei der Linken ideologisch einfach nicht verschraubt. In dieser fast schon religiösen Verbohrtheit ähnelt die Linke in fataler Weise ihren alten Waffenbrüdern in Palästina und in Gaza. Auch für Hamas und Fatah spielt es keine Rolle, was ihr erklärter Feind (in dem Fall natürlich Israel) tut oder lässt, solange er noch da ist. Aber die Hamas ist mittlerweile ehrlicher als die Linke: „Wir werden die Juden als Feinde betrachten, selbst wenn sie uns Palästina zurück geben. Weil sie Ungläubige sind!“ Aber wenn Frau Kipping in dem Tempo weiter macht, wird sie vielleicht in einer der nächsten Talkshows ideologisch Amok laufen. Genug ungläubige Gesprächspartner hat sie ja immer.

Wann wir scheitern Seit‘ an Seit‘

Wenn ich Kipping, Wagenknecht oder Tsipras zuhöre, ihren Argumenten folge und die Konsequenzen abwäge, triggern deren Worte meine Vergangenheit, denn ich dachte einst ähnlich. Ich frage mich dann immer, was mich von diesen Salonkommunisten unterscheidet und warum ich heute so gänzlich anders denke. Die Antwort steckt bereits in der abfälligen Formulierung „Salon“ oder „Gewächshaus“ weiter oben: Weder Salon noch Gewächshaus haben Kontakt zur Wirklichkeit.

Noch jedes wie auch immer geartete sozialistische Experiment ist gescheitert, sobald es in der Realität in Kontakt kam. Chavés in Venezuela, Castro in Kuba, Gorbatschow in der Sowjetunion, Kim in Nordkorea, Sadat in Ägypten, Tsipras in Griechenland…egal wohin man schaut. Das China gerade nur „wackelt“ liegt einfach an seiner Größe. Als Gründe für das Scheitern werden von den Sozialisten aber keine Mängel in der eigenen Theorie sondern rein praktische Gründe angeführt. Man hat sich halt nicht genug angestrengt, das „Material“ taugte nichts  (die Menschen), die bösen Imperialisten sind Schuld (ein Treppenwitz übrigens wenn ausgerechnet ausgesprochen vom Imperialisten Sowjetunion), ausländische Agenten oder generell böse Mächte, alles eine einzige Weltverschwörung. Man schottet sich ab und jedes Argument der „Anderen“ wird zum Stein in der eigenen ideologischen Abwehrmauer. Solange, bis man die Worte und Argumente der Gegner einfach nicht mehr hört.

Kipping, Wagenknecht und auch Tsipras sind nur in ihren Parteien groß geworden, das reale Leben der Menschen in ihren Ländern ist ihnen größtenteils fremd. Taugliche Konzepte für die heutigen Fragen, Probleme und Ängste der Bevölkerung haben sie nicht und als einer von ihnen, Alexis Tsipras, an die Macht kam, fiel ihm nichts anderes ein als mehr Staatsbeamte einzustellen, um Arbeit zu schaffen. Unnötig zu sagen, dass das schon rein mathematisch nicht funktionieren konnte.

Kipping, die stolz auf ihrer Homepage verkündet wie behütet ihre Kindheit war und dass sie nur einen kurzen Schulweg hatte, trägt zu der seltsamen Stimmung in Deutschland bei wenn sie immer nur von der Bereicherung spricht, die die Flüchtlinge für Deutschland darstellen. Gern zitiert sie das Beispiel einer Schulklasse in einem Brandenburger Dorf, deren Schüler nur deshalb nicht auf weiter entfernte Schulen verteil wurden, weil die zwei neuen Flüchtlingskinder für ein Quorum sorgen. Unerwähnt lässt sie, dass es zu solchen Fällen mittlerweile auch exakte Gegenbeispiele gibt – Schulen also, die geschlossen werden um dort Flüchtlinge unterzubringen. Oder von Sporthallen, die durch die Unterbringungen für Schul- und Vereinssport fehlen. Das mag jetzt kleinlich klingen aber wer über derlei Lappalien nicht reden mag oder sie aus Gründen der „political correctness“ ausblendet, soll bitte auch bezüglich der ach so tollen Bereicherungsbeispiele besser den Mund halten.

Mir gefällt nicht, dass sich Menschen schon wegducken und lieber gar nichts sagen, weil sie mit der politisch und medial allgegenwärtigen Willkommenskultur so ihre Probleme haben. Wer beschwert sich schon über die armen Flüchtlinge, nur weil Söhnchen oder Töchterchen die Schule wechseln müssen oder Hockey im Winter draußen spielen müssen? Sicher nur Imperialisten und Nazis! Frau Kipping beschwert sich nicht, die muss ja heute nicht mehr zur Schule und dafür lange Wege gehen. Und wenn wir schon von Wegen sprechen, Frau Kipping: Vielleicht können Sie ja bei nächster Gelegenheit auf die Unterschiede zwischen Thüringen und Bayern im Umgang mit der Flüchtlingskrise eingehen. In Thüringen herrscht ja Ihr Parteifreund Ramelow, dort geht doch sicher die Sonne niemals unter, dort muss das neue Arbeiter- und Bauernparadies sein! Ach, es gibt keinen Unterschied? Dann stellt sich bei Ihnen sicher mal wieder die Schuldfrage, wie immer.

Kipping, setzten, 6!

PS: 1978 war nicht nur das Jahr, in dem die DDR unterging. Es ist auch das Geburtsjahr von Katja Kipping. Es war von heute aus betrachtet kein gutes Jahr für die deutsche Linke.

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