Bevor man Texte wie diesen schreibt, schaut man schnell auf die aktuelle Lage. Es kommt auf jede Minute an. Reicht die Zeit für den Aufbau der Story, reicht sie, um alle wesentlichen Argumente darzulegen und den Bogen bis zur Schlussfolgerung zu schlagen, oder überholt ich die Realität beim Tippen? In Washington D.C. ist es gerade 20 Uhr, also ganze zwei Stunden hinter dem Zeitfenster, in dem Präsident Biden als irgendwie arbeitsfähig gilt. Die letzte Meldung auf Foxnews, wo man von dessen Rücktritt wohl zuerst erfahren würde, lautet wie folgt: „Biden erklärt, er werde im Rennen bleiben, während der Druck zum Ausstieg zunimmt, und verspricht, Trump „2020 erneut“ zu schlagen. Es bleiben vielleicht nur wenige Stunden Zeit, den Text zu beenden. Ein Wettlauf gegen die Zeit.

Es ist nur mein Gehirn

Den kämpft auch Joe Biden, indem er erklärt, die Ausgaben im Wahlkampf zu erhöhen. Eine 50 Millionen Dollar teure Medienoffensive soll dem am Freitag stattfindenden Interview bei ABC mit Bill Clintons altgedienten Wahlkampfmanager George Stephanopoulos den richtigen Spin verleihen. 20 Uhr Ostküstenzeit. Außerhalb von Bidens Sweet Spot. Ein Risiko. Aber was hat er zu verlieren? Die Debatte mit Trump: eine einzige Katastrophe. Der Versuch, am Tag darauf wieder im Wahlkampf zu glänzen, von Telepromptern nur mühsam gerettet. Besorgten Gouverneuren der Dems, mit denen sich Biden am 5.7.2024 traf, versicherte Biden, etwas mehr Schlaf würde ihm wohl helfen, sich zu erholen. Er werde keine Veranstaltungen mehr nach 20 Uhr ansetzen. Josh Green, der Gouverneur von Hawaii, erfuhr dann noch „beruhigendes“ vom Präsidenten, als er ihn nach dessen Gesundheitszustand fragte. „Es ist nur mein Gehirn“ – und alle dachten schon, es sei etwas Ernstes!

Spaß beiseite, auch wenn die New York Times den Satz als Scherz verstanden haben will. Was wir hier gerade erleben, ist der Kollaps eines Machtsystems, das wir vielleicht erst jetzt zu verstehen beginnen. Erst im Zusammenbruch, wenn die Beteiligten die Phasen der Trauer durchlaufen, biegen die Protagonisten auf uns vertrautes Terrain ab und durchlaufen wie im Lehrbuch Leugnung, Ärger, Feilschen, Depression und Akzeptanz. Der Machtzirkel rund um Biden ist schon beim Feilschen, was man an den Erklärungen gut erkennen kann. Erst war eine Erkältung schuld an der Misere, dann hieß es, Biden sei über-vorbereitet gewesen und mittlerweile lagen seine Aussetzer am Jetlag, den er sich bei seiner Reise nach Europa zugezogen habe, obwohl er sich nach seiner Reise (in der Airforce One, nicht der Holzklasse der Bahn) mehr als eine Woche lang in Camp David davon erholen konnte. Biden selbst ist noch in Phase eins und leugnet. Stephanopoulos sagt er im Interview, die Umfragen sähen ihn Kopf an Kopf mit Trump – was nicht stimmt. Die Leader seiner Partei drängten ihn angeblich, im Rennen zu bleiben – das muss er gründlich missverstanden haben. Selbst Pelosi sagte gegenüber MSNBC, es sei eine legitime Frage, ob Bidens Performance nur Episode oder schon Zustand sei. Und wir dürfen annehmen, dass sie die Antwort kennt.

Akklamation und Albtraum

Das Problem ist nämlich, dass niemand mehr an eine Episode glaubt. Leaks aus dem inneren Kreis der Demokraten zeigen die mittlerweile herrschende Panik. Nicht nur in den Swing-States schafft Bidens Zustand klare Mehrheitsverhältnisse zugunsten von Trump in den Umfragen, selbst Staaten wir New Hampshire, New Jersey und Virginia sind nicht mehr sicher. Und was noch verheerender ist: Biden schadet als Frontrunner der Demokraten dem gesamten Wahlzettel unterhalb der Präsidentschaft. Parallel wird ja auch für Kongress und Senat gewählt. Starke Präsidentschaftskandidaten steigern die Chancen der Kandidaten „weiter unten“ auf der Liste. Schwache Kandidaten ziehen dort alles mit sich in den Abgrund. Ein Präsident Trump 2.0 mit deutlichen Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments ist möglich. Für die Demokraten ein Albtraum!

Das ist der eigentliche Grund, warum man versuchen wird, Biden die Kandidatur noch auszureden. Doch es ist wichtig, dass Biden selbst die Hand erhebt, die ihn aus der Kandidatur kegelt. Die Vorwahlen sind längst gelaufen und die Dem haben es als Zeichen der Stärke verkauft, dass des bei ihnen keine gegeben hat. Biden war gesetzt und basta! Nun erweist sich diese Art der Akklamation als Schwäche: es gibt keine „Nummer zwei“, keinen in Debatten geformten Prinzen und auch keine Prinzessin. Kamala Harris war nie als Nachfolge für Biden eingeplant, sie war vielmehr dessen Lebensversicherung, die man nach dem Ende von Bidens Amtszeiten durch Vorwahlen wieder loswerden könne. Wenn ich raten müsste, dann kam sie, erfolglos und unbeliebt, wie sie ist, durch eine Einflüsterung von Jill Biden ins Team. Als Schild mit der Aufschrift: greift Biden an, dann bekommt ihr mich! Der Schild funktioniert perfekt und sorgt gerade dafür, dass der innere Kreis um den Präsidenten die Attacken aus Partei und Medien einfach ignorieren kann. Denn es geht nicht nur um Joe Bidens Befähigung, als Kandidat der Dems im Wahlkampf zu ziehen. Wer dazu körperlich und noch entscheidender geistig nicht in der Lage ist, sollte erst recht keinen Zugriff auf die Nuklearcodes haben.

Der Keil unter der Tür

Überredet man Biden also zum Verzicht auf die Kandidatur, steht auch sofort seine Eignung zur Amtsführung und damit der 25. Verfassungszusatz zur Disposition. Das Verfahren selbst müsste durch Harris ausgelöst werden, die sich mit der Mehrheit des Kabinetts in einer schriftlichen Erklärung an den Kongress wenden müsste, um Bidens Amtsgeschäfte zu übernehmen. „Unburdened by what has been“, wie Harris es wohl ausdrücken würde. Sie ist so nahe, so kurz davor, nur noch so wenig muss passieren, um sie durchs Ziel zu tragen. Bidens Versicherungspolice wird zum Mühlstein, der ihn und seinen ganzen inneren Kreis mit sich in die Tiefe ziehen könnte. Und sie wird nicht verzichten. Sie wird keine Rochade über sich ergehen lassen und einen Interims-Gavin-Newsom oder eine Interims-Michelle-Obama an ihre Stelle treten lassen, damit Biden sich auf die Veranda zurückziehen kann.

Sie wird sich nicht austauschen lassen, dafür hat Biden selbst gesorgt, als er sie auf dem Diversity-Ticket ins Weiße Haus eingeladen hat. Schwarze Aktivisten haben schon deutlich zu verstehen gegeben, was sie davon hielten, sollte man Kamala noch kurz vor Toresschluss gegen einen oder eine fähigere Vizepräsidentin austauschen. Roosevelt konnte sich von Henry A. Wallace trennen, weil ihm seine pro-sowjetischen Ansichten nicht passten, und ihn durch Truman ersetzen. Im Zeitalter von Diversity und hysterischem Aktivismus geht sowas nicht mehr ohne empfindlichen Verlust von Moralpünktchen. Harris steckt wie ein Keil unter der Tür zum Oval Office, die nun weder auf noch zu geht.

Dabei reißen selbst jetzt die Beschwichtigungen nicht ab. Nicht alle haben den Schuss gehört oder glauben, Umfragen und Lage würden sich noch verbessern. Die Regierung sei doch handlungsfähig…irgendwie. Eine Präsidentschaft, das sei doch Teamwork, es gäbe so viele Menschen rund um Joe Biden, die ihn unterstützten und in seinem Sinne handelten. Was nach Fürsorge klingen soll, jagt Verfassungsrechtlern Angstschauer über den Rücken. Denn die US-Präsidentschaft ist eben nicht „Teamarbeit“, sondern so zugeschnitten, dass alle Entscheidungen der Exekutive am Ende in einer Hand zusammenlaufen. In der Hand eben jenes Mannes, den die Amerikaner im November 2020 gewählt haben. Da stand kein Team auf dem Stimmzettel. Von vielen Name in diesem Team haben die Amerikaner noch nie gehört und nun gibt man mehr oder weniger offen zu, dass eigentlich sie es sind, die das Land führen?

Der Kater schläft und die Mäuse tanzen auf dem Tisch. Viele Entscheidungen der letzten Jahre aus dem Weißen Haus müssen in diesem Licht neu bewertet werden. Der völlig misslungen Truppenabzug aus Afghanistan, das konfuse Hin und Her bei der Bekämpfung der Hamas, die dreiste Hinwegsetzung über ein Urteil des Supreme Court zur Streichung von Studienkrediten, der merkwürdige Wechsel des Matthew Colangelo von einem hohen Posten im Justizministerium an die Seite von Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg, um diesem im Prozess gegen Trump zu helfen…die Liste der Merkwürdigkeiten ist lang und lässt sich auf folgenden Nenner bringen: der Boss entscheidet nicht alles, der Boss weiß auch nicht alles. Und weil er vergisst, was er weiß, hat man im Notfall immer ein glaubwürdiges Dementi auf dem Teleprompter parat.

Und die Medien? Die versucht sich in Schadensbegrenzung, indem die sich als Opfer von Täuschung und Intrige darstellt. Hätte man nur gewusst, wie es wirklich um Joe Biden steht, hätte man nur Videos gesehen oder Symptome erkannt! Doch auch hier ist mit dem Narrativ auch die Glaubwürdigkeit beschädigt. Schließlich gab es diese Videos und selbst CNN & Co. buddeln nun die „Verwirrter Biden“ Momente im Dutzend aus den Archiven, wo sie bis letzte Woche noch unter „Billige Fälschung“ (Pressesprecherin Karine Jean-Pierre) rubriziert waren. Die Medien haben Biden aufgegeben. Sie hatten sich darauf verlassen, dass die Dems und „Das Team“ den Laden im Griff haben, dass das, was seit Jahren alle sehen konnten, nicht wirklich schlimm und die Lage beherrschbar sei. Sie hatten sich auf „Team Biden“ verlassen, dabei war es „Team Biden“, das sich auf sie verlassen hat. Jemand hat nun das Fenster geöffnet und eine kühle Brise Realität lässt das Soufflee in sich zusammenfallen.

In Bidens Partei kann man gerade leicht erkennen, wer noch Ambitionen hat und wer nicht. Je vehementer die Treueschwüre auf Biden ausfallen, umso näher sieht man sich selbst am Zugriff auf das höchste Amt. Newsom, Whitmer oder Schumer können das Messer nicht gegen Caesar erheben, denn sie wollen ihn beerben. Der Dolch liegt auf dem Tisch und jeder Tag, den Biden verstreichen lässt, reißt die Umfragen um ein paar Zehntelprozente herunter. Die Namenlosen im inneren Zirkel um den Präsidenten ziehen die Mauern derweil noch ein wenig höher und spielen Biden eine Realität vor, die es längst nicht mehr gibt.

Er würde immer noch große Menschenmengen mit seinen Reden anziehen, sagte Biden im Interview mit Stephanopoulos, was selbst für den zu viel Selbstlob war: „Ich glaube nicht, dass Sie das Massenspiel spielen wollen. Donald Trump kann große Menschenmengen anziehen. Daran besteht kein Zweifel.“ Auch Behauptungen wie, er habe China schachmatt gesetzt und es gäbe einen Friedensplan für den Nahen Osten, spiegeln nur die Scheinwelt, in der Binden mittlerweile lebt. Eine Welt, in der er kraftvoll Politik macht, mitreißende Reden hält und Trump nichts außer Lügen verbreitet. Die dreisteste Lüge von allen verbreitet Biden allerdings Tag für Tag selbst. Nämlich die, dass er in der Lage sei, das Amt des Präsidenten auszufüllen, in welches er gewählt wurde, und zwar so gut, dass er es noch weitere vier Jahre ausüben könne.

…und nachts klingelt das Telefon

Als 2008 die Vorwahlen der Demokraten auf das Duell Hillary Clinton gegen Barak Obama zusteuerten, brachte Clintons Kampagne einen aus heutiger Sicht bemerkenswerten TV-Spot. Der Plot geht etwa so. Es ist nachts und Amerika schläft den Schlaf der Gerechten. Um drei Uhr nachts klingelt plötzlich das Telefon. Die Krise ruft an. Irgendeine Krise irgendwo auf der Welt. Es gilt, schnelle Entscheidungen zu treffen, die richtigen Leute zu informieren, Befehlen zu geben und Raketen zu starten. Natürlich ging im Clip Hillary ans Telefon, die Erfahrung in Person, die mit allen Wassern gewaschene Außenpolitikerin. Was könnte da ein Grünschnabel wie Obama…

Trump könnte diesen Spot heute in Dauerschleife senden, ergänzt mit folgendem Text: Es ist drei Uhr nachts, das Telefon klingelt, aber niemand nimmt den Hörer ab. Denn Joe Biden schläft bis 10 Uhr morgens.

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6 Kommentare

  1. @ Ben Goldstein. Ich rede ja auch mit meiner Putzfrau und dem Elektriker, der mir die Lampe repariert. Was ich dabei immer wieder feststelle: Die politische Urteilsfähigkeit der sog. einfachen Leute ist beträchtlich. Es sind eher die gebildeten Schichten, denen oft jede politische Urteilsfähigkeit fehlt. Wahrscheinlich rührt das von deren Konsum der Massenmedien, denen sie, weil „intellektuell“ wie sie, blind vertrauen. In Wirklichkeit plappern sie nur nach, was sie da lesen und hören. Das Phänomen wurde von Enzensberger mit dem „Fachidioten“ ja bereits klar beschrieben. – Die Planlosigkeit der Eliten, hier der Dems, ist von Ihnen treffend beschrieben. Nicht alles was so aussieht, ist ein Komplott. Biden, Trump, Putin,…, Hitler, Stalin, Mao, …, sind nur mehr oder weniger starke Verkörperungen des Zeitgeistes, in dem sich Massen und Führer gegenseitig finden. Nur dadurch ist deren Faszination zu erklären. Da Ideologien jedoch immer menschliche Konstrukte sind, und damit fehlerhaft, ist deren totales Scheitern vorprogrammiert, je totaler sie sind. Offene Systeme leben länger, nicht weil sie weniger Fehler machen, sondern weil sie Fehlerkorrekturen zulassen. Das ist das ganze Geheimnis. Insofern ist dann Trump die Korrektur von Biden,,,und umgekehrt. Schreckliche Fehler machen beide. Putin muss seine Fehler allein machen. Es gibt keine Fehlerkorrektur. Die Frage ist dennoch: Wie groß sind seine Fehler? Im Vergleich mit Biden und Trump. Nur diese Antwort zählt vor dem Gang der Weltgeschichte.

    • Sie haben vollkommen recht, auch mit der Fachidiotie als wirklich gewichtigen Erklärungsfaktor. Ich glaub, dass unsere Fehler eine deutlich größere Rolle spielen als die von Putin. Russland, Iran, Nordkorea und nicht einmal China sind wirklich gewichtige potentielle Feinde, wenn man die Kräfteverhältnisse vergangener Epochen zum Vergleich nimmt. Wir sind einfach nur schwach, weil unser innerer Zusammenhalt zerrüttet ist. Ich halte auch von der Wehrpflicht nichts, weil das eigentliche Problem die fehlende Vertrauensbasis ist. Selbst bei einem Angriff auf die NATO wären für den ersten Moment genug Bürger bereits an der Waffe ausgebildet, um Zeit für die Ausbildung weiterer Kohorten zu organisieren. Das eigentliche Problem ist, dass unter dem Jeder-ist-ein-Nazi-Wahn kein Mensch mehr für den anderen einstehen wird. Die Linken haben sich mit ihrem Anti-Kapitalismus, Anti-Amerikanismus und Anti-Alles ohnehin ein Misstrauensgedankenmodell zusammengezimmert. Jetzt werden noch alle anderen bis aufs Blut gereizt.

      Zum Teil nagen wir noch an den Sprüchen der Friedensbewegung. Ich bereue mittlerweile sehr, mich in der Vergangenheit ein bisschen arg machohaft geäußert zu haben. Im Leben hätte ich mit der Alles-Nazis-Alles-Kriegstreiber-Hysterie nicht gerechnet. Irgendwie muss man das Vertrauen gewinnen, um Leute über den Weg zur Friedenssicherung nachdenken zu lassen. Es ist unlogisch zu glauben, dass nur die eigene Regierung zur Aggression fähig sei und man auf nichts mehr achten müsse. Wenn die eigene Regierung potentiell zur „Kriegstreiberei“ schreiten kann, dann die anderen eben auch. Es ist beachtlich, dass man den Leuten das Nachdenken über diese Symmetrie vollkommen abgewöhnt hat. Man muss auf beides achten. In islamischen Kreisen, in China, in Russland, in Schwarzafrika und in Lateinamerika gibt es allerhand interne Treiber, die sich mit Schaum vorm Mund an westlichen Gesellschaften abarbeiten.

      Wir haben darauf nur sehr begrenzten Einfluss und Entwicklungshilfe sorgt nicht für unsterbliche Dankbarkeit.
      https://www.theguardian.com/world/article/2024/may/21/what-next-for-russia-in-africa-after-wagner-moscow-influence

      Auch unsere Verlagerung der Industrie nach China zur Einsparung von 2% des globalen CO2-Ausstoßes ist eine brutal offene Flanke.

      Russland drohte neulich, Waffen auch an Akteure zu liefern, die den Westen angreifen.
      https://www.bbc.com/news/articles/cn44r9zjnpjo
      Wenn Sie auf die Waffen der Hisbollah, der „Partei Gottes“, schauen, merken Sie, dass die ganzen fortschrittlichen Systeme aus Russland oder China stammen.
      https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_military_equipment_of_Hezbollah

      Das heißt, dass die mit etwas drohen, was sie sowieso die ganze Zeit machen. Das sagt auch etwas über die Grenzen ihrer Fähigkeiten aus. Man kann auch Gewalt provozieren, indem man sich übertrieben ängstlich und angreifbar zeigt. Und solche Sachen lassen sich vor der Kulisse des hysterischen Misstrauens schwer kommunizieren.

      Die Worte „Diplomatie“ oder „Verhandlung“ werden fast nur als Surrogat für konkrete Vorschläge verwendet. Das gilt auch für „Solidarität“ auf der anderen Seite. Putin selbst sagte am Anfang des Tucker-Carlson-Interviews das er einen NATO-Angriff nicht befürchtete. Damit hat er Gabriele Krone-Schmalz schon zerschossen, aber das juckt die nicht. NATO-Erweiterung? Russland könne gar nicht auf dem Schlachtfeld besiegt werden. Ach so. Tja, da müsste die Gabi wohl was einräumen, wenn sie Integrität hätte.

      Oder aber die ganze ukrainische Kultur und die Eigenständigkeit sollen weg und die haben in Zukunft gefälligst russisch zu reden. Dann liegt aber nicht der eine oder andere Acker auf dem Verhandlungstisch. Alles Nazis außer Merkel, ähmmm, Putin? Dann liegt nicht diese oder jene Stadt auf dem Tisch.

      Vielleicht hätte ich nicht, von „unten durch sein“ schreiben sollen, weil es ja tatsächlich darum geht, dass Leute sich revidieren. Cora Stephan schrieb, „[D]ass Putin sich mit einem Stück Ukraine nicht zufriedengeben werde, sondern wie Hitler immer weiter marschieren würde, ist eine Vermutung (und dürfte die russischen Kapazitäten im Übrigen überschreiten), signalisiert allerdings, dass man, wie damals gegen Hitlerdeutschland, zum Äußersten zu gehen gewillt ist.“
      https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/stephans-spitzen/wo-bleibt-die-friedensbewegung

      Putins Armee stand genau einen Tag im Donbass, bevor seine Panzer auf Kiew zurollten, einen Tag, an dem man Stephans Fehler machen konnte. Zwischen der Großoffensive und Stephans Text haben Moskautreue in Transnistrien, Serbien und Georgien bereits ihre „Hilfeschreie“ entsandt. Was genau, glaubt Frau Stephan, bindet eigentlich die russischen Kapazitäten, die bei einem weiterrücken „überschritten werden würden“?

      Als AfD-Leute infrage stellten, ob die Abstimmung der Mayotte-Inselgruppe zur Zugehörigkeit zu Frankreich anerkannt werden sollte, schreibt Stephan, „Nun, die Frage mag als Provokation gedacht sein, aber unberechtigt ist sie nicht.“
      https://www.achgut.com/artikel/toxische_weissheit_melonisierung_oder_radikalisierung

      Die Bevölkerung hat ohne jeglichen militärischen Druck über Jahrzehnte hinweg mit überwältigender Mehrheit bekräftigt, dass sie zu Frankreich gehören will. Stephan und die AfD wittern einen Doppelstandard gegenüber der Krimabstimmung, wo die Option „alles bleibt, wie es ist“ nicht auf dem Stimmzettel stand und russische Militärs die Insel besetzten. Letzteres wird übrigens von Moskau bestritten, obwohl die Siegesmedaillen zum Fakt ausgehändigt werden.
      https://en.wikipedia.org/wiki/Medal_%22For_the_Return_of_Crimea%22

      Das „Friedenstäubchen“ appeliert im Text auch gleich an narzisstische Kränkungen. „Steckt also das hinter der Exkommunikation der AfD? Oder lautet die Antwort schlicht, dass man weder in Frankreich (noch in Polen) die Deutschen sonderlich mag, egal, welcher politischen Richtung sie angehören mögen?“

  2. „Mit keiner Formulierung könnte ich das ändern.“ Da ist wahrlich was dran, an diesem Satz. Es ist diese Erkenntnisverweigerung vieler, die mich auch im privaten Kreis zunehmend sprachlos macht. Voran geht eine geradezu irre Uninformiertheit, die nicht tiefer geht als das, was in den Massenmedien steht. Die Alternative zur Sprachlosigkeit wäre Schreien. Sieferle muss zuletzt in diesem Gefühl gelebt haben. Keine Angst ich bin stabiler.

  3. Meine große Angst ist, dass wir das Machtsystem beim Zusammenbruch nicht verstehen. Wir sind uns nämlich gar nicht darüber einig, was da kollabiert und was mit heruntergerissen wird. Erleben wir den Fall des Turms zu Babel, weil sich die Ungläubigen dem Islam nicht fügen wollen? Musste der Kapitalismus nicht ohnehin scheitern? Fallen Zivilisationen wie der Westen einfach zyklisch wie von Naturgewalten heimgesucht, unabwendbar durch die Menschen? Oder – meine These – scheitert die fanatisierte linke Bewegung an ihrer eigenen Niedertracht und reißt ihre Mitmenschen in verschiedenen Ländern mit sich in den Abgrund?

    Jeder mit Augen im Kopf konnte wissen, dass Biden das Land nicht führt. Aber welche Schlüsse werden jetzt gezogen? Die Bandbreite reicht von seiner Verwaltung gemeinsam mit alten Vertrauten wie Nancy Pelosi, Barak Obama und Chuck Schumer bis hin zur Fernsteuerung durch Klaus Schwab und Bill Gates. Daneben finden sich die Spekulationen zu diffusen Lobbies, Juden oder Geheimdiensten. Das Problem ist die Spekulationsfreude, die sich mit Begründungen und Abschätzungen nicht aufhält. Die öffentliche Debatte wurde so lange torpediert, bis den Leuten die Kompetenz zur Abwägung von Plausibilitäten und zum Einräumen von Fehlschlüssen abhanden gekommen war.

    Aus meiner Sicht werden die Entscheidungen typischerweise von den Leuten, die man sieht, getroffen, auch wenn die immer weniger Interesse an Sachfragen zeigen und sich von vermeintlichen Experten jeden Mist aufschwätzen lassen. Biden ist die Ausnahme und man kann sich denken, welche Leute im Weißen Haus die eigentlichen Geschäfte führen.

    Die Partei der Demokraten hat den Opa nicht mit der Debatte erniedrigen wollen. Sie ist unkoordiniert und nur durch gemeinsame Anreize und Denkfehler verbunden. Sie haben einfach gehofft, dass er bei wichtigen Auftritten wie bei der Debatte einen klaren Tag hat. Ein Plan, ihn auffliegen und ersetzen lassen zu wollen, ist schon deshalb unwahrschein, weil sie jetzt maximal konfus aussehen. Und so schwer wäre es für eine besser koordinierte Gruppe auch nicht gewesen, Jill Biden für einen Rücktritt zu schmieren. Das hätte man auch vorher haben können, ohne Debattenfiasko. Die ist garantiert käuflich. Und vielleicht tritt sie/er auch noch ab und Harris genauso.

    Vielleicht lassen die Dems es auch einfach laufen. Die Schlauen wissen die ganze Zeit schon, dass Trump kein Autoritarist und auch keine Gefahr darstellt. Die wissen auch um ihre schlecht informierte Wählerbasis. Es haben schon Kandidaten Wahlen gewonnen, obwohl sie während des Wahlkampfs gestorben sind.
    https://www.newsweek.com/list-dead-people-who-won-2022-midterm-elections-1758448

    Was mich beunruhigt, ist, dass Leute einzelne Vorgänge in der Vergangenheit als Beleg dafür nehmen, dass eigentlich alles komplett immer nur Trug und Täuschung gewesen sei. Es gibt mittlerweile ein beträchtlicher Unwille zu klären, was unter welchen Umständen mal funktioniert hat und warum es jetzt kaputt ist. Die unausgesprochene Behauptung ist, dass die beiden Helmuts, Kohl und Schmitt, schon genauso inkompetent und orientierungslos nach jeder Hand griffen, die Führung versprach („Experten“), wie die heutige Bande um Scholz, Merz und Habeck. Das ist absurd! Es gibt einen himmelweiten Qualitätsunterschied zwischen z.B. Golda Meir und Ursula von der Leyen. Es wird im Moment viel behauptet, dass Dinge überhaupt nicht potentiell klappen können, die doch noch vor gar nicht so langer Zeit funktionierten. Da spielt auch viel Denkfaulheit eine Rolle.

    Einen Grund für den Spekulationswirrwarr hat Hannah Arendt entdeckt. Sie wies die Bezeichnung „Philosophin“ von sich, weil sie beim Aufstieg der Nazis die Erfahrung machen musste, dass jeder Texter allerhand originelle Ideen zu den Braunen hatte. Das war übrigens vor dem Internet. Sie meinte, es seinen sogar interessante Ideen gewesen! Und in diese Ideen haben sich die eitlen Gockel heillos verliebt. Sie wurden unfähig, sich zu revidieren. Und dasselbe läuft heute auch ab. Da entsteht mittlerweile eine absolut idiotische Affenliebe zu den dreckigsten Regimen und autoritäten Bewegungen, weil „Intellektuelle“ sich verrannt haben und nicht umkehren können. Jeremy Corbyn hat gerade seinen Wahlkreis ohne Unterstützung der Labourpartei gewonnen, die sich vom Antisemitismus frei machen will. Er sagte explizit, dass Palästina auf dem Wahlzettel stünde. Damit meint er nicht die ganzen Kids, die ohne islamistische Terrorherrschaft und ohne Armut ein konstruktives Leben haben könnten. Er meint die Hamas. Und er hat gewonnen, weil über Jahrzehnte „Intellektuelle“ allerhand Schnapsideen verkauft haben, warum der Dschihad einfach partout nicht Dschihad sein kann und die ganzen glasklaren Aussagen der Akteure keine Rolle spielen sollen. Diese ganzen Putinbeschöniger wie Gabriele Krone-Schmalz sind auch bei mir durch.

    Noch eine Anmerkung dazu, woran hier aus meiner Sicht alles krankt. Es gibt mittlerweile zu viele Akteure, die ohne Belege anderen unterstellen, Mörder am Startblock zu sein. Wer Synonyme für „Nazi“ auffährt, will genau das sagen. Ich bin es leid, ständig zu lesen, dass alle außer ausgerechnet Vladimir Putin „den Krieg wollen“. Und Abtreibung ist auch kein Mord. Tut mir leid. Aber man kann auch Schwangerschaften schützenswert finden und das vertreten, ohne gleich eine Mordanklage zu erheben. Geht es auch mal wieder einen Tick weniger hysterisch? Und keiner wird eine Kernwaffe zünden, weil Biden auf einen Knopf drückt oder Baerbock verwirrtes Zeug von sich gibt.

  4. Guter Text. Und dennoch ,,, Ich kriege langsam Magenschmerzen, weil selbst solche Texte das Grundproblem kaschieren: Hier spielen Parteien und Massenmedien ihr Machtspiel am Volk vorbei. Jeder ,,, wirklich jeder ,,, konnte seit Jahren sehen, dass Biden ein prä-dementer alter Mann ist. Was gehört auf beiden Seiten der Macht, der politischen und medialen, dazu ein so übles Spiel zu spielen? So zu tun als wäre der Kaiser nicht nackt. Jeden Tag diese Unmenge an idiotischem Propaganda-Müll abzusondern, und anzunehmen, dass die Leute das glauben. Niemand glaubt es und bald glaubt niemand mehr irgendwas. Denn wer derart verar,,, wird, wie soll er noch etwas glauben? Und ich rede jetzt nicht von irgendwelchen verwirrten Seelen, sondern von jungen Leistungsträgern der Gesellschaft, bei denen sich immer mehr das Gefühl breit macht, sie werden nicht für voll genommen. Wenn diese Leute weiter denken und dann noch handeln, kann es echt eng werden für das Politestablishment und ihre Herolde.

    • Der Betrogene gehört genauso zu diesem perversen Spiel wie der Betrüger. Ist leider immer so gewesen. Die Zustimmung für Biden liegt derzeit bei etwa 27%. Das ist mehr als ein Viertel der Wähler! Jetzt noch! Mit welchen Hämmern willst du es denen beibiegen? Selbstbetrug ist ebenso stark. Und der Wille, lieber an irgendwelchen Blödsinn zu glauben, als zu akzeptieren, verladen und betrogen worden zu sein. Mit keiner Formulierung könnte ich das ändern, leider.

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