Die Hilfsbereitschaft in München und anderen Städten schaffte es, die Weltöffentlichkeit vom so genannten Dunkeldeutschland abzulenken und wenn man anderntags die Presse verfolge erfuhr man, wie beeindruckt das Ausland von den Deutschen war. Das haben wir aber auch wirklich endlich mal gebraucht! Schließlich hatten die Griechen und viele Kommentatoren weltweit noch vor wenigen Wochen nicht verstanden, wie gut wir es mit ihnen, Europa und der ganzen Welt meinen. Dabei hassen wir es wie die Pest, nicht geliebt und bewundert zu werden. Wir beweinen die Opfer des Holocaust, sparen Energie und trennen unseren Müll. Wir können eigentlich alles besser als alle Anderen – nicht nur Autos bauen und Fußball spielen. Nun ja, Gewehre, Flughäfen und Philharmonien können wir nicht so gut, das soziale Gefälle bei uns ist stark wie kaum in einem anderen Land und unsere Infrastruktur bröckelt bedenklich vor sich hin. Aber Klimarettung ist bei uns Chefsache, genau wie nun die Flüchtlingskrise. Wir kritisieren Amerika, lieben es aber nach New York zum Shoppen oder nach Las Vegas zum Protzen zu fliegen und schlüpfen Nacht für Nacht unter die schützende Decke, die das böse amerikanische Militär seit Jahrzehnten über uns breitet. Die Decke kratzt etwas, hielt uns aber viele Jahre lang die Probleme der Welt vom Pelz.

Nun aber bauen wir Europa, vor allem wir natürlich. Wenn nur die anderen Staaten etwas mehr so wären wie wir, dann könnte alles gut werden. Wenn nur alle mehr exportieren würden, müsste auch niemand an seinen Schulden zugrunde gehen. Na gut, Mathe können wir auch grad nicht so gut. Aber sonst liegt unsere Bundeskanzlerin doch goldrichtig. Öffnet ihr Herz und ihr Land allen Elenden und Beladenen der Welt. Hat sie wohl am Sockel der Freiheitsstatue in New York gelesen. Dabei hat sie vergessen, dass sie es war, die noch vor kurzem am stärksten darauf bestand, Flüchtlinge zum Problem anderer Leute zu erklären. Dublin III nannte man das Abkommen das die EU-Länder an der Außengrenze im Süden in die Pflicht nahm und unter dem die Tinte noch nicht trocken und das Papier nicht wert ist, auf dem es steht.

Konnte ja aber auch keiner ahnen, dass die Syrer nach fast fünf Jahren Bürgerkrieg so zahlreich zu uns kommen würden. Amerika hatte bisher noch auf jeden lokalen Konflikt so kräftig eingeschlagen, das dessen Ausläufer uns nie erreichen konnten. Die amerikanischen Soldaten, die dabei verletzt oder getötet wurden, haben wir dann stets großzügig über die Airbase Rammstein in ihre Heimat bringen lassen. Es waren und blieben aber immer die Probleme anderer Länder, mit denen wir am Ende so wenig wie möglich zu tun haben wollten.

„Es sind sieben Busse im Land unterwegs. Wir wissen nicht wann und wo die ankommen und wie viele Flüchtlinge darin sind.“ Solche oder ähnliche „Durchsagen“ von der Landes- zur Kommunalebene gehören seit Wochen zum Alltag in den meisten deutschen Bundesländern. „Frau Merkel sagt, alle Syrer können nach Deutschland kommen“ sagt unterdessen ein Syrer strahlend in die Fernsehkamera. Frau Merkel hat leider vergessen zu Hause mitzuteilen, wie das funktionieren soll. Mit Mühe schaffen wir es derzeit, die Menschen in Erstaufnahmelagern unterzubringen. Und auch das nur deshalb, weil es überall im Land freiwillige Helfer gibt, die zielgenau und zahlreich die Lücken füllen, die die mangelhafte Organisation hinterlassen hat. Aber auch bei den Helfern zeigen sich bereits solche Lücken. Als die ersten Züge aus Ungarn sonntags in München ankamen waren die Helfer so zahlreich, dass die Polizei viele von ihnen wieder nach Hause schicken musste. Aber schon am Montag danach stellte man fest, dass die meisten Freiwilligen wieder arbeiten mussten und deren Zahl bedenklich geschrumpft war.

Es ist gut und richtig, den Flüchtlingen zu helfen. Es wäre aber klug und weise darüber nachzudenken, was genau nach den Erstaufnahmelagern kommen soll. Selbst wenn wir es schaffen die Menschen aus „sicheren Herkunftsländern“ unter den Flüchtlingen zu ermitteln und zurück zu schicken bleiben immer noch Hunderttausende Syrer, deren Asylrecht außer Frage steht, was dann? In Deutschland gibt es seit Jahrzehnten keinen Sozialen Wohnungsbau mehr, die Leerstände stehen durch die Masse an Flüchtlingen in keinem Verhältnis zur Nachfrage. Außerdem gelingt Integration nachweislich am besten in größeren Städten, weil nur dort die Infrastruktur, Schulen, Kindergärten und ein funktionierender Arbeitsmarkt zu finden sind. Der Vorschlag, die Flüchtlinge in die Gegenden zu bringen, wo es die meisten freien Wohnungen gibt war bisher der lächerlichste Beitrag zur Problemlösung. Denn in diesen Städten fehlt es nur vordergründig an Menschen. Es fehlt dort an Arbeit. Wer also nicht will, dass die Neuankömmlinge von vorn herein auf Transferleistungen angewiesen sein sollen, sollte das lieber lassen.

Hoffen auf Putin?

Der Bürgerkrieg in Syrien hat dort bereits fünf Millionen Menschen aus dem Land getrieben, hunderttausende bezahlten mit ihrem Leben. Es sind also noch etwa 14 Millionen Syrer dort und wenn der IS weiter aus dem Vormarsch ist, die Irakische Regierung weiter mit sich selbst und die türkische weiter mit der PKK beschäftigt ist, wenn die USA weiter nur mit wenig effektiven Luftschlägen helfen…nun, dann könnten sich weitere fünf bis acht Millionen Syrer auf den Weg machen. Vielleicht setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass Kriege manchmal nur durch Krieg zu beenden sind, hätte man nach den Erfahrungen des zweiten Weltkrieges aber auch früher drauf kommen können, oder? Aber das hätte in der Konsequenz bedeutet dass es im Nahen Osten wieder Menschen gegeben hätte, die uns nicht leiden können. Dabei sind wir doch so stolz darauf dass wir zum Beispiel von Palästinensern und Israelis gleichermaßen gemocht werden – und das muss man erst mal schaffen! Nein, wir werden in Syrien also weiter für den Frieden arbeiten. Einen Frieden, den man dort erst mal wieder schaffen müsste.  Stattdessen hoffen wir nun still und heimlich, dass uns das Problem jemand anderes abnimmt, Putin. Und im Nachhinein erscheint und das Regime von Assad gar nicht mehr so schlimm zu sein. Genau wie wir 2003 plötzlich unsere Sympathie für Saddam Hussein entdeckten und gegen den aufziehenden Krieg im Irak auf die Straßen gingen (wie schon 1990 übrigens). Genau genommen haben wir nämlich gar nichts gegen Kriege. Wir führen sie nur nicht mehr gern, auch unsere Verbündeten sehen wir nicht gern kämpfen, weil wir dann irgendwie feige rüberkommen und von denen nicht gemocht werden. Gar nicht gut für’s Ego. Aber Putin, der soll mal machen! Er hat uns die Suppe ja schließlich eingebrockt weil er seinen Freund Assad unbedingt halten wollte. Beeilen sollte er sich aber schon, denn unsere Großzügigkeit, die uns derzeit so gute Presse einbringt werden wir nicht lange durchhalten.

Erst wenn das letzte Zelt von Schnee bedeckt, die letzte Turnhalle requiriert und der letzte freiwillige Helfer erschöpft zusammengebrochen ist werden wir feststellen, dass es so etwas wie uneingeschränkte Solidarität nicht geben kann.

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