Als Apollo 11 auf dem Mond landete, hatte Präsident Nixon eine vorformulierte Todesnachricht für den Fall des Scheiterns parat. Eine Rede, die er zum Glück nie halten musste. Vermutlich beugt sich in jedem Verlag oder TV-Sender gerade jemand über die Tatstatur, um den wie auch immer gearteten Abgang von Präsident Joe Biden vorsorglich in Worte zu fassen. Aktuell enthalten die Nachrufe noch sehr viele Platzhalter, wir dürfen jedoch annehmen, dass viele Würdigungen und Danksagungen enthalten sein werden. „The other guy“ – Joe Bidens Bezeichnung für Trump – erfreut sich unterdessen der breiten Unterstützung seiner Partei und hält eine betont ruhige Rede beim Nominierungsparteitag. Seine Rhetorik ist sparsam, die Ereignisse sprechen ja auch für sich. Den Rest besorgt die Inszenierung in Milwaukee, wo wie im Panoptikum vier Tage lang die personifizierten Versäumnisse der Regierung Biden ihre Bühnenauftritte haben.

Die Berichterstattung auf der linken Seite des Medienspektrums ist sparsam und sehr darum bemüht, die emotional stärksten Momente geschickt zu überblenden. Etwa als die Familien der beim planlosen Abzug der Truppen aus Afghanistan ums Leben gekommenen Soldaten auftreten. MSNBC schaltet dann schnell ins Studio zurück. Der Kontrast zu Bidens Behauptung, unter seiner Ägide seien keine US-Soldaten getötet worden, wäre einfach zu groß. Man weiß zwar noch nicht, wer Biden letztlich ersetzen wird, das Orange-Man-Bad-Narrativ muss aber unbeschadet durch die Wirrungen dieser Übergangstage oder -wochen gebracht werden.

Kläglich und unkoordiniert wirken die Versuche, von Trumps neuem Heldenglanz ein paar Strahlen auf Joe Biden abzuspiegeln. Joy Reid versuchte es, indem sie behauptete – und MSNBC-Kollegin Jen Psaki pflichtet ihr eilig bei – wenn Biden seine neue Covid-Infektion gut überstehe, müsse man das doch irgendwie als gleichwertig zu Trumps „Kämpft, kämpft, kämpft“-Pose betrachten. Bei CNN sind sie mit dem Fatalismus schon ein Stück weiter, Van Jones Vergleich ist deshalb treffender:  Eine Kugel konnte Trump nicht stoppen, ein Virus hat soeben Biden gestoppt.

Was die Presse wirklich wurmt, ist nicht so sehr, dass die Kugel verfehlt hat. Es sind die Bilder, die innerhalb weniger Sekunden entstanden sind. Bilder, die länger wirken werden als jede Rede und jedes TV-Duell. Besonders dieses eine Foto, die ikonische „Iwojima“-Komposition mit der wie gemalt wirkenden Bilddiagonale, Trumps blutverschmiertem Gesicht, seiner Faust und der Flagge darüber. Evan Vucci heißt der Fotograf von Associated Press, der es gemacht hat und das Time-Magazin war so begeistert, dass man es fast sofort auf den Titel der nächsten Print-Ausgabe hob.

Es gilt immer noch als Gipfel des Fotografenstolzes, das Titelfoto des Time-Magazin geliefert zu haben. Das war am 14. Juli, das Blut auf Trumps Gesicht war noch frisch. Doch so langsam sickerte in die Redaktionsstuben ein, welche Wirkmacht ausgerechnet dieses Bild hat. Und dass diese Erkenntnis bis zum 18. Juli auf sich warten ließ, ist nur so zu erklären, dass die Medien keine Ahnung haben, was die Amerikaner – und wenn schon nicht alle, dann doch sehr viele – von ihrem Präsidenten erwarten. Und diese Erwartung lässt sich nicht mit politischen Kategorien oder Steuersätzen ausdrücken, sondern mit Persönlichkeit und Führungsstärke.

Alle Schlammschlachten der vergangenen Monate, die nächtliche Hausdurchsuchung in Mar-a-Largo, der Medienspott über Schmiergelder an Pornostars, die erzwungene Anwesenheit in einem lächerlichen Gerichtsverfahren, der Mug-Shot in Atlanta, der Versuch, ihm und seiner Familie in New York jegliche Geschäfte zu verbieten…all das mündete in diese Szene und dieses eine Foto. „Kämpft, kämpft, kämpft!“ Das Foto ist gefährlicher als Trump selbst, das Foto muss weg!

Der „übermäßige Gebrauch“ des Fotos berge das Risiko, als „kostenlose PR“ für die Trump-Kampagne genutzt zu werden. Mit anderen Worten: wer es verwendet, zeigt, druckt oder als Dokument der Zeitgeschichte behandelt, hilft Trump – und das möchte man um jeden Preis vermeiden. Man will das Foto „beerdigen“, so tief wie man nur kann.

Und so wird es wohl nicht das Cover des Time-Magazin vom 5. August ausfüllen. TM präsentiert das neue neue Cover für die Ausgabe!

Auch ein Foto von Evan Vucci, aber diesmal eines nach der Veranstaltung: menschenleer, die Bühne verwaist, zwei einsame Klappstühle stehen auf der vermüllten Wiese. Schwarzweiß sind Foto wie Stimmung, eine große Hoffnungslosigkeit liegt über der Szene, nur die zum Häkchen zerflatterte US-Fahne hat Farbe.

Das Cover fragt: „What Unites Us“ und das Foto antwortet: Nichts. Hier ist niemand. Hier war auch niemand. Und die Bildunterschrift wie für ein Stilleben mit Äpfeln und Nüssen: „Der Veranstaltungsort der Trump-Kampagne in Butler, PA“. Und nun schnell abhaken und weiter gehen…

Jede Wette: Das wird nicht klappen!

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2 Kommentare

  1. Ich habe als junger Mann in New York gelebt und gearbeitet. Daher weiß ich, ob Dem oder Rep, alle sind stolz auf ihr Land. Sag was gegen die Dems oder die Reps, kein Problem. Aber sag nichts gegen Amerika! Das ist natürlich naiv, fast schon kindlich, dieser Stolz auf die Nation. Ohne Wenn und Aber. Woher sollte er den Deutschen in Deutschland kommen? Nachdem sie das Land einem Wahnsinnigen überlassen hatten, der es politisch, moralisch und überhaupt zugrunde richtete. Und zwar für eine fast unendliche Zeit. Mein bester Freund, David S., ein typischer New Yorker Jude („ Let’s go to the Schwitz“), natürlich mit deutschen Wurzeln, aber lange vor dem Holocaust eingewandert, vermittelte mir dieses Gefühl des „guten Amerikaners“. Seitdem hat sich viel geändert, die Zeiten sind rauher geworden, die Polarisierung stärker. Aber eins ist geblieben, die Liebe zu ihrem „großartigen“ Land. Das ist kein Narrativ! Nein, so ticken die! – Dass die Woken-Linke anders tickt, und besonders in Deutschland, ist schon klar. Selbsthass ist ein schleichendes Gift, das alles zerstört, am Ende das Land. Es hätte auch anders kommen können. Wir jungen Deutschen der Siebziger Jahre waren doch auf dem besten Weg, bevor diese schrecklichen Neo-Sozialisten mit ihrem Selbsthass und ihrem komischen Sendungsbewusstsein das Ruder übernommen haben. Klar muss das ikonische Trump Foto weg. Es ist ein Jahrhundertfoto. Amerika unter der Flagge geeint und tiefer gespalten denn je. Aber keiner hasst Trump mehr als die Linksgrünen in den deutschen Redaktionen. Warum? Weil er Stärke, Unabhängigkeit und Mut beweist. Und sie nichts davon haben.

  2. Mittlerweile reagiere ich fast schon gereizt auf Diskussionen um Symbole. Ich fühl mich wie Margaret Thatcher, die sagte, „Wenn du willst, dass etwas gesagt wird, frag einen Mann! Wenn du willst, dass etwas gemacht wird, frag eine Frau!“ Das war zu ihrer Zeit eigentlich noch nicht so schlimm wie heute.

    Die ZEIT schreibt zur Wiederwahl von v. d. Leyen, Zu Beginn ihrer Amtszeit verpasste sie der EU mit dem Green Deal – den sie als Europas Mann-auf-dem-Mond-Moment bezeichnete – ein wirkungsvolles Narrativ.
    https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-07/ursula-von-der-leyen-eu-kommission-praesidentin-wiederwahl-erwartungen
    Ächz, kotz, bäh! Ich kann es nicht mehr hören. Zeichen dies, Narrativ das. Wir müssen dringend die Geschwätzwissenschaftsschwämme eindämmen.

    Aber wie sagen wir deutschen Phrasendrescher so gerne? But to the truth also belongs! Also auf der anderen Seite geb ich gerne zu, dass es schon ein religiöses Element in der Politik gibt. Rolf hat recht, wenn er erkennt, dass ich nicht nur rational, sondern auch emotional auf Zeichen der Freiheit reagiere. Mich spricht die Flagge hinter Trump an!

    Sowohl Linke als auch Teile der AfD verstehen nicht, wofür sie steht. Sie denken, dass man Patriotismus entweder mit allen Mitteln der Werbewirtschaft den Leuten aufschwätzt oder mit selbigen Mitteln in die Schamecke räumt. Aber die Stars-and-Stripes bewegen Menschen in aller Welt, in Lateinamerika, (Ost-)Europa, Afrika und Asien. Die Leute werden nicht von ihr angesprochen, weil sie genötigt werden, weil es sich gefälligst gehöre oder weil die Amis nicht genug mit Schuldvorwürfen überhäuft würden.

    Die Moderatorin Jeanine Pirro eröffnete vor acht Jahren ihre Sendung mit einer fulminanten Rede zum EU-Austritt Großbritanniens, in der sie die gemeinsamen Motive der Bürger auf beiden Seiten des Atlantiks niederlegte.
    https://www.youtube.com/watch?v=1N_S5dKrMVY

    Am Ende erstickt ihre Stimme fast, nachdem sie auf die Flagge verweist und auf ihren Preis. Es ist die tiefe Dankbarkeit, die man nicht einfach für die EU-Flagge oder die Deutschlandflagge ausrufen und von PR-Leuten herbeischwätzen kann.

    Auch die deutsche Flagge könnte für mehr stehen als sie es tut. Sie könnte für entspannte Gelassenheit im Schrebergarten stehen. Sie könnte für euphorische Fußballmomente stehen. Für Optimismus. Und dafür, dass man es geschafft hatte, die DDR friedlich zu überwinden.

    Aber sie kann heute nicht mehr atmen. Sie wird mit Ekel abgeräumt oder sie muss für einen verkrampften Minimalpatriotismus stehen, dafür, dass das jetzt die Flagge von hier ist, wofür auch immer das hier und die Flagge stehen. Steht Björn Höckes Flagge wenigstens für den Schrebergarten und für ein Bewusstsein, welche Bedingungen dafür notwendig sind, oder ist es egal, ob man seine rot-gelb-dunkle Curry-Soße auf DIN-normierte Tofu-Würstchen schmiert oder nicht, weil Freiheit voll Ami-Kacke ist? Wenn ich ständig Lobeshymnen auf Regime höre, dann verlieren Schwarz-Rot-Gold an Glanz. Man kann keine emotionale Bindung durch Appelle erzeugen.

    Pirro benutzt zweimal den Ausdruck ‚das Land zurückholen‘. Das war ein Slogan der Tea-Party-Bewegung. Alexander Gauland wagte es, den Schlachtruf in Deutschland zu popularisieren.
    https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/drittstaerkste-kraft-afd-jubelt-gauland-werden-unser-land-zurueckholen-li.24285

    Dieser Geist dominiert die AfD längst nicht mehr. Was will die AfD noch von wem zurückholen, um welches Problem zu lösen und um was zu erreichen? Was stört die Leute noch, wenn sie autoritäre Regime nicht stören? Stören die sich am Dschihad und an der Aussicht auf ein Kalifat oder wollen sie nur einfach irgendwas anderes sagen als Linke? Ist es noch wichtig, ob das Kalifat Schwarz-Rot-Gold oder was Grünes oder Schwarzes hisst? Und wenn das schon egal ist, dann kann auch die EU-Flagge oder der Regenbogen gehisst werden. Es steht ja keiner für irgendwas und damit auch nicht mehr die Flagge.

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