Das Standkonzept auf Messen ist eine heikle Sache, ich weiß, wovon ich rede. Vor vielen Jahren kam es auf einer Messe, die ich mit zu verantworten hatte, zu folgendem Fauxpas: Zwei konkurrierende lokale Radiosender hatte ich direkt nebeneinander platziert, was den Schallpegel in der Halle binnen kürzester Zeit ins schmerzhafte drehte und lange, wiederholte, beschwichtigende Gespräche mit den Inhabern der Sender nach sich zog. Die Lektion hatte ich gelernt, nie wieder ist mir solch ein Fehler unterlaufen!

Die Veranstalter der Frankfurter Buchmesse glauben jedoch an die erzieherische Kraft ihres Mediums, glauben auch an das absolute Böse und dass man es in einer Art gemeinschaftlichem Exorzismus von den Ständen und aus den Büchern der Verlage vertreiben kann, die man als Rechts gekennzeichnet hatte. Nun sind Manuscriptum, Antaios und Junge Freiheit nicht zum ersten Mal auf der Messe und es gab früher nie Ärger, aber wir haben 2017 und da ist bekanntlich alles anders. Der gesellschaftliche Konsens ist eingezogen in Köpfe und Herzen und der duldet keinen Widerspruch!

Zunächst hoffte man, die rechten Verlage von der Messe fern halten zu können, indem man sie neben ihren vermeintlichen Antipoden platzierte, also neben die Amadeu-Antonio-Stiftung oder Verlage mit möglichst queerem Programm – aber es half nichts: die bösen Verlage wollten einfach nicht wegbleiben! Dann versuchte man es mit einem Appell des Börsenvereins, der zu „Auseinandersetzungen“ mit den rechten Verlagen aufrief. Man ging als Veranstalter sogar mit gutem Beispiel voran, indem man sich zu einer kleinen Demo (mit Pressetermin) vor dem Antaios-Stand einfand, was durchaus als ungewöhnliche Maßnahme anzusehen ist, weil man als Veranstalter eigentlich zur Neutralität verpflichtet ist, und nun der Meute mit gutem Beispiel voran ging.

Als auch das nicht dazu führte, dass die rechten Verlage ihre Bücher verbrannten und heulend die Messe verließen, sorgte man über Nacht dafür, dass deren Regale geleert, die Bücher besudelt im Müll landeten und Schmierereien auf dem Niveau von Bahnhofskloschmierereien die Stände verunzierten. Die Presse berichtete…nicht.

Erst danach kommt auch SPON ins Spiel, wo man sich bis zu diesem Zeitpunkt keinen Deut um die Vorgänge scherte. Nun aber hatte man endlich eine Headline gefunden, die perfekt ins Weltbild passt und die Ereignisse in eine genehme Richtung schieben sollte:

„Dialogversuch auf der Buchmesse – Rechte rasten aus.“

Dass zu diesem Zeitpunkt die „Linke“ schon seit Tagen nicht mehr einrasten wollte, ist nur eine nicht erwähnenswerte Petitesse. Auch wie es zu der Eskalation kam, die nun, da die Buchmesse auch für Besucher geöffnet ist, nach den Vorfällen der vorangegangenen Tage zu erwarten war, ist dem Spiegel nur ein paar dürre Worte wert. Der Artikel von Eva Thöne ist beschwichtigend und bleibt nur im Konjunktiv, wenn es um Vorfälle geht, die den Protest gegen die rechten Verlage in ein schlechtes Licht rücken könnten, wie wenn es zum Beispiel um die „angeblich gestohlene Bücher“ geht. Es wäre ein leichtes gewesen, sich hierüber Gewissheit zu verschaffen, wenn man beim Spiegel arbeitet. Und wenn der Börsenverein dann auch noch erklären lässt „Wir verurteilen jede Form der Gewalt. Sie verhindert den Austausch von politischen Positionen“ klingt das nur noch wie Hohn, hat man die Geister doch selbst gerufen, die man nun nicht mehr los wird.

Ihr wollt nicht, dass sich die Rechte „als Opfer inszeniert“? Dann hört damit auf, euch wie Täter zu verhalten! Kauft ihre Bücher nicht – was ihr ja sowieso nicht tut, weil ihr zu wissen glaubt, was sie enthalten. Hört ihren Protagonisten nicht zu – was ihr ja sowieso nicht nötig habt, weil ihr alles besser wisst. Doch dann beschwert euch auch nicht über die Filterblasen der anderen, wenn ihr die eure nie verlasst und urteilt nicht über die Vorurteile der anderen, wenn ihr selbst bis unter die Schädeldecke voll davon seid! Und du, lieber Börsenverein, solltest überlegen, ob es wirklich eine gute Idee war, sich zum Erzieher eurer Aussteller und zur Nanny des Protestes aufzuschwingen.

Foto: Michael Klonovsky. Auf seiner Seite gibts noch weitere.

NACHTRAG: SPON hat die Headline mittlerweile „angepasst“. Jetzt lautet sie „Tumulte auf der Buchmesse – Dialog unmöglich“. Das ist schon näher an der Wahrheit als „Dialogversuch auf der Buchmesse – Rechte rasten aus.“

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11 Kommentare

  1. Demokratisches Miteinander ist vielbeschworen; was es hierzulande allerdings nicht mehr gibt ist ein demokratisches GEGENeinander; ein „agree to disagree“. Daß Demokratie ihrem Wesen nach eben ein Gegeneinander ist, die schiere Apotheose der Zivilisation des GEGENeinanders; das ist längst vergessen, verdrängt, im Wir-gegriff des „wenn alle mitmachen“ und dem Irrtum daß „Demokratisches Miteinander“ ein Pleionasmus und kein Oxymoron, kein propagandistisches Umetikettieren sozialistischen Gedankenguts ist, erstickt. Und so wird mit Gewalt und „guten“ Worten der Konsens des Lenkdenk erzwungen, weil ein „Miteinander“ (anders) nicht möglich wäre; und es schließlich im besten Interesse von „uns allen und besonders unseren Kindern“ sei, Dissens gewaltsam zu ersticken. Vergessen auch, daß der Prozess der Zivilisation sowohl als Individuum als auch als Gesellschaft nun gerade darin besteht, einen gewaltFREIEN Umgang mit Dissens zu finden: als Einzelner haue ich meinem Nachbarn nicht den Begonientopf um die Ohren wenn er die falsche Farbe hat (der Topf); als Gesellschaft lasse ich es nicht zu, daß ganze Stadtviertel über politische Differenzen geschrottet werden – wenn doch, dann ist das eben NICHT zivilisiert, sondern Ausfluß des Rechts des Stärkeren.
    Ob per Madame la Guillotine oder Zusammenschlagen von Sachen und Leuten erzwungen: ein erzwungener Konsens ist nicht zivilisiert, und nicht rechtens. Denn das kann auch kaum noch jemand, gedanklich zwischen „Demokratie“ und „Rechtsstaat“ trennen, und feststellen daß sie zwar wunderbar kompatibel sind – sich aber wie gesehen nicht zwingend gegenseitig bedingen, leider.

    • Ach, haargenau, Aurorula.
      Aber das setzt Einiges voraus, also Einiges an Verstand oder/und an Herzensbildung, nicht?, wobei hmjaaa andererseits Sozialismus weder das Eine noch das Andere nötig hat, sondern da geht es einfach ohne was, indem alle mitmachen und Abweichler kaltgestellt und/oder gehauen werden.

  2. Komisch, jeder Hinweis auf den tätlichen Angriff, den der Verleger Achim Bergmann erleiden musste, fehlt. Das hat doch nicht etwa damit zu tun, dass es sich um einen Linken handelt und ihn ein mutmaßlich Rechter ins Gesicht geschlagen hat?
    Und was sind dagegen ein leergeräumter Stand (wer immer das getan haben mag) und die Zeichnungen zweier Phalloi (welche, nebenbei bemerkt, mehr Humani- und Dignität ausstrahlen als alles, was Klonovsky oder Pirinçci je zu Papier gebracht haben)?
    Der Börsenverein aber ist Kubitschek und seinen Kollegen, die mit einem ebenso langweiligen wie antisemitischen Pamphlet Sieferles („Finis Germania“, bereits das Latein im Titel ist verlogen und falsch) ihren ersten Bestseller landeten, auf den Leim gegangen: Die ließen Lichtmesz, Höcke und Sellner antanzen, die wollten den Skandal, die bekamen den Skandal. Und weil das noch nicht reicht, bekommen sie noch eine „Charta 17“ geschenkt, in der es heißt: „Wehret den Anfängen – für gelebte Meinungsfreiheit, für ein demokratisches Miteinander, für respektvolle Auseinandersetzungen!“ Wie respektvoll diese Auseinandersetzungen sind, kann man von Achim Bergmann erfahren.

    P.S.: Müßig zu sagen, dass es ein „demokratisches Miteinander“ mit Identitären nicht geben kann.

    • Einer möchte a) das Besudeln und Wegschmeißen von Büchern bei der Frankfurter Buchmesse schönreden, bloß weil deren Inhalt ihm nicht passt, und b) möchte er Schriftsteller, deren Ansichten ihm nicht passen, als Unpersonen hinstellen, mit denen es kein „Miteinander“ geben dürfe.
      Wie rechtfertigt er das: Indem er sie einfach als Unpersonen hinstellt.
      Nein, dieser Linksidentitäre 😀 , und wie billig er das unternimmt.

      • … diese tiefe Verachtung des Gegenübers, dieses Spucken auf das Individuum und auf die Meinungsfreiheit und überhaupt auf alle Werte. An dieser gehirngewaschenen Antirationalität, die jedoch glaubt, sie habe die Wahrheit mit Löffeln gefressen, während sie jedoch zur Wahrheit ein rein taktisches Verhältnis hat: Daran geht die Linke seit langer Zeit total zugrunde, und immer totaler, und das Schlimme ist, dass sie es nicht merken will, sondern dass sie als Zombie weiter vor sich hin linkt und fälscht und verachtet und die Gleichschaltung will.

        -Pardon, Roger, ich kenne den da oben halt von woanders her 🙂 , und er tickt so.

    • Thomas Schweighäuser: „Komisch, jeder Hinweis auf den tätlichen Angriff, den der Verleger Achim Bergmann erleiden musste, fehlt.“

      Sie irren sich, Herr Schweighäuser. Dieser Hinweis fehlt nicht, sondern er ist vollkommen überflüssig. Die Überschrift des Artikels lautet: „Wie man eine Situation eskaliert und seine Hände dann in Unschuld wäscht.“ Eine Folge dieser Eskalation war logischerweise auch der widerliche Angriff auf Achim Bergmann.

      Thomas Schweighäuser: „Müßig zu sagen, dass es ein „demokratisches Miteinander“ mit Identitären nicht geben kann.“

      Völlig richtig! Die Identitären sollten sich die „Anti“-Fa zum Vorbild nehmen, deren stete Bereitschaft zu einem ruhevoll kultivierten, demokratischen Meinungsaustausch unsere vollständige Bewunderung verdient – und natürlich auch besitzt!

      • … ja, Wolfgang, eben so viel versteht der Herr Schweighäuser (der im vergangenen Juli fand, dass die Antifa in Hamburg „nicht effektiv genug“ war) von hm demokratisch und von hm Miteinander. Übrigens, ich hab gehört, dass auch der Menschenfresser von Rotenburg in seiner Küche ein paar ausgesuchte Gewürze stehen hatte, und Himmler besaß ein Buch von Kant 😀

  3. Interessanter Text. Und richtig, dass vom Autor Gute Recherche und Faktentreue angemahnt wird. In seinem Text schreibt er: „… sorgte man über Nacht dafür, dass deren Regale geleert, die Bücher besudelt im Müll landeten und Schmierereien auf dem Niveau von Bahnhofskloschmierereien die Stände verunzierten.“ Zuvor schreibt er von den Veranstaltern. Sind also „man“ die Veranstalter? Das wäre ein ungeheuer. Aber es ist vom Autor leider nicht belegt. Ist es belegbar?

    • Das wäre in der Tat ungeheuerlich, ist aber derzeit nicht belegbar. Insofern muss das „man“ unbezichtigt bleiben. Jedoch darf man sich fragen, wie es passieren kann, dass Stände über Nacht leergeräumt werden können, was ja nicht ganz geräuschlos vonstatten gehen wird und auch Zeit und Gelegenheit braucht. Die Hallen sind verschlossen und bewacht. Wer genau hier Auftraggeber oder Ausführender war, kann derzeit niemand sagen – und es ist auch noch niemand so blöd, sich mit derlei Taten zu brüsten, was angesichts der Stimmung und der vermeintlichen „Guten Tat“ fast schon ein Wunder ist. Man darf aber mutmaßen und Tätergruppen ausschließen. Und wendet man Orkhams Gesetz an, kommen weder die Taubenzüchter noch die Frankfurter Metzgerinnung in Betracht. 😉

  4. Die Krönung der Buchmesse war der angebliche „Naziangriff“ auf diese Figur Nico Wehnemann.
    Bento macht folgendes daraus:
    „Rechte Tumulte: Wir haben mit einem Demonstranten gesprochen, der auf der Buchmesse überfallen wurde“
    http://www.bento.de/politik/frankfurter-buchmesse-partei-abgeordneter-nico-wehnemann-wird-bei-rechter-buchlesung-niedergeschlagen-1768614/
    Fake-News hoch drei!
    Denn die Situation hat sich doch etwas anders dargestellt:
    https://www.youtube.com/watch?v=8aKUU8Ke95Y
    Aber was interessiert das schon Bento, Spiegel und co, die haben die Wahrheit ja sowieso gepachtet…

  5. Allerliebst, die Spon-Überschrift „Dialog unmöglich“, denn allerliebst ist die Suggestion, dass die Normallinken jemals einen „Dialog“ oder nur eine Diskussion mit den Nichtlinken angeboten hätten.

    Also für’s Protokoll, Diskussion & Dialog ist, wenn a) jeder zu Wort kommt, und wenn b) dann einer den Anderen widerlegt oder ergänzt. Das ist Diskussion & Dialog, jedoch just diese werden von Linken immer verweigert: Weil es denen um’s Gefühl geht und um’s eigene, eingebaute Bessersein, aber nicht um Argumente. Weswegen Linke bevorzugt schreien, unterbrechen, stören, mobben und verbieten.

    Woraufhin dann jedoch linkerseits behauptet wird, dass die Gegenseite jede Diskussion & Dialog unmöglich mache. Wie nannte dieses Phänomen der Paul Watzlawick (der war aus Wien, also kannte er sowas): self fulfilling prophecy.
    Also das Billigste vom Billigsten.

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