Etwa 500 Meter hoch stieg die Rakete. Doch der hin und her gehende Vektor des Abgasstrahls verriet schon nach wenigen Sekunden, dass etwas nicht stimmte. Die Bodenkontrolle schaltete die neun Triebwerke aus, und die etwa 30 Meter lange Spectrum-Rakete des deutschen Start-ups Isar Aerospace schlug nur wenige Hundert Meter vom norwegischen Startplatz entfernt mit einer großen Explosion aus Propan und flüssigem Sauerstoff in die Nordsee. Ob Steuerungsprobleme oder vielleicht ein Softwarefehler die Ursache waren, ist so ungewiss wie unerheblich, denn es handelte sich um den ersten Start eines noch experimentellen Trägersystems, und buchstäblich niemand rechnete damit, dass alles glattgehen würde. Die Reaktionen der deutschen Presse sind mit „verkniffen optimistisch“ wohl gut beschrieben, denn die Meldung lautete, die Spectrum-Rakete sei „nach erfolgreichem Start abgestürzt“. Wie anders klingt das doch, wenn mal wieder ein Kommentar zum Raumfahrtprogramm von SpaceX abzugeben ist: „Starship-Testflug endet in Explosion“ oder „Rückschlag für Musk“.

Dabei arbeiten sowohl SpaceX als auch Isar Aerospace nach demselben Prinzip des „Rapid Prototyping“. Probieren, Fehler machen, aus Fehlern lernen, schnell erneut fliegen. Dass manche Fehler in spektakulären Explosionen enden, gehört ebenso dazu wie die Tatsache, dass das Ganze vor weltweitem Publikum stattfindet. Es sind erfolgreiche Tests mit dem Ziel, im Experiment zu lernen. Doch die deutsche Presse misstraut allem, was sich nicht gesetzmäßig – und am besten entlang von Gesetzen – entwickelt. So wie die ESA, die im Sommer 2024 mit dem ersten Testflug der Ariane 6 kaum erfolgreicher war als die Studententruppe aus München mit ihrer Spectrum. Mit dem Unterschied, dass die Ariane 6 bereits überholt und überflüssig ist, bevor sie überhaupt einsatzbereit sein kann, während sich die wenigen freien europäischen Raumfahrtunternehmen wie Isar Aerospace von vornherein auf die kommerzielle Anwendung ihrer Trägersysteme konzentrieren. Nämlich kleine Nutzlasten bis 1000 Kilogramm möglichst günstig und kurzfristig auf eine erdnahe Umlaufbahn zu bringen. Nur dort, bei den sogenannten Micro Launch Systems, ist derzeit noch Platz angesichts der durch die Wiederverwendbarkeit der SpaceX-Systeme stark gesunkenen Kosten.

Der von mir beschriebene „verkniffene Optimismus“ der Medien speist sich leider nicht aus den ökonomischen Perspektiven von Firmen wie Isar Aerospace, sondern aus der Tatsache, dass man sie gern zur „Alternative zu SpaceX“ aufblasen möchte, was sie de facto nicht sind. Denn das Eingeständnis, Musk könne mit seinem Raumfahrtunternehmen irgendetwas richtig gemacht haben, schmerzt zu sehr. Hochgesteckte Ziele, unternehmerisches Risiko, ein Team der besten Ingenieure, Nerds und Wissenschaftler zu organisieren und dabei die Kosten nicht aus den Augen zu verlieren – das klingt toll, solange Musk nur die vom Staatsdirigismus überwölbte Raumfahrt optimierte. Doch dann rückte er mit denselben Methoden Twitter und zuletzt mit Doge dem Staat selbst zu Leibe und wurde dafür der moralischen Ächtung durch den instrumentalisierten Pöbel preisgegeben.

Und so werden wir am 1. April Zeugen eines Schauspiels, dessen drei Akte zeitgleich aufgeführt werden. Tesla-Autos werden auf deutschen Straßen angezündet, von der eigenen Empörung emotional überwältigte öffentlich-rechtliche Sendeformate verlassen Elons Plattform X, und die erste deutsche Frau, Rabea Rogge aus Berlin wird – eine Gedenkmedaille von Otto Liliental im Gepäck – zu einer mehrtägigen Mission ins Weltall aufbrechen. In einer Dragon-Kapsel von SpaceX. Bleibt nur, Rabea Rogge einen guten Flug und den Tüftlern von Isar Aerospace viel Erfolg bei der Entwicklung ihres Trägersystems zu wünschen. Und wer weiß, ob sich SpaceX und Isar Aerospace nicht eines Tages ergänzen werden. Es muss nämlich nicht immer die größte Nutzlast entscheidend sein. In einer Wette, wem es zuerst gelingt, eine Pizza noch warm zur ISS zu liefern, würde ich eher auf die kleine Firma aus München setzen.

Zuerst erschienen als Kommentar im Kontrafunk
(Foto: SpaceX)

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8 Kommentare

  1. > Wieviele Saturn V oder A-4 sind nach ihrer Mission eigentlich zurückgekehrt

    Das ist aber auch ignorant. Ger hat schon einen Punkt. Damals war die Rakete das Neue, bei Musk ist es die Wiederverwendbarkeit bzw. generell eine geforderte Kostensenkung. Insofern ist der Ausgangspunkt derselbe, beide haben erstmal ein unbekanntes neues Problem. Es macht erstmal keinen Unterschied, dass das alte Problem ’nur‘ auch ein Teilaspekt auch des Neuen ist. Darauf bezieht sich ja die Kritik. Warum nicht die damalige Vorgehensweise in den neuen Ablauf integrieren?

    JETZT kann man anfangen zu vergleichen, wie diese Probleme geloest wurden. Erstmal v. Braun in einer Kriegswirtschaft in extrem kurzer Zeit, inklusive den Anhaengen spaeter in den USA. Ja, mit Druck, Sklavenarbeit in Peenemuende, usw.. Aber auch mit jungen Leuten in der Entwicklung, d.h. auch pragmatisch, sicher kein simples durchgeplantes Wasserfallmodell. Letzteres Wort natuerlich, um auf Musk zu kommen, der das Prinzip „agil“ aus der Softwareentwicklung in seinen Raketenbau gesteckt hat. Implementiert in alle Ablaeufe, nicht nur Fertigung, sondern auch Fertigungsumstaende selbst fuer alle Facetten aller Prozesse einer solchen Fabrik, in der selbst wird auch staendig umgebaut. Evolutionaer als Prinzip, auch als Ausdruck eines oekonomisch liberalen Weltbildes, in diesem fuer den dort grundlegenden Begriff der Preisfindung als Prio Eins gesetzt.

    Hier beginnen aber auch Fragen. So wie der Liberalismus mit dem Problem der Monopole nicht abschliessend zurechtkommt (aber sicher besser als jede volle Planwirtschaft, nur um meine Position klarzustellen), so ist es bei diesem Spaceprojekt auch. Iterationen sind dort nicht so simpel und preiswert wie in Software, wo das erstmal maximal das Geld fuer ein paar rauchende Koepfe kommunizierender Entwickler und ’stakeholder‘ kostet. Hardware ist teuer und auch SpaceX brauchte immer mal wieder dicke Injektionen auch vom Staat, um ueberhaupt weiterzuleben. Das hat sich gelohnt, muss es aber wie jede staatliche Intervention nicht (s.o., liberales oekonomisches Weltbild). Und da braucht es richtig viel und auch wiederholt aufzubringende Kohle.

    Ob ein kleines deutsches, international maximal EU-breites, Unternehmen in dem grundlegend dirigistischen, sich ja immer deutlicher herausschaelendem planwirtschaftlich dominierten Denken der EU entfalten koennen wird, das muss man sehen. Da kann schnell nach dem zweiten oder dritten Fehlstart Schluss sein. Denn die EU und auch Deutschland zeigen ja ausschliesslich die Schwaechen aller planwirtschaftlichen Zugaenge jeden Tage neu. Ein Risiko wie die o.g. nichtprivate Unterstuetzung Musks mit wenigstens einem Hauch auf Erfolgsaussichten ist bei diesen Leuten unmoeglich zu erwarten. Die erste unter diesen Schwaechen ist die klassische Fehlallokation von Kapital mit immer umfassenderen Eingriffen in den Markt und untrennbar damit verbunden zunehmend falschen Anreizsysteme der hier lebenden Menschen fuer alle, nicht nur eng wirtschaftliche, Lebensbereiche. Das ist immer schiefgegangen.

  2. Wie soll man sowas medial einordnen? Ist Raumfahrt überhaupt noch feministisch, jetzt wo es rückwärts einparkende Raketen gibt? Vor fünfzehn Jahren hätte niemand für so einen Spruch den Bademantel gebügelt. Ich hasse es, ständig Angst haben zu müssen.

    Und ich frag mich auch, wie wir als Gesellschaft jemals wieder auf einen gemeinsamen Nenner kommen sollen. Simone Peter macht mich depressiv. Die promovierte Mikrobiologin „weiß“, dass Erdbeben durch den Klimawandel häufiger werden – oder was auch immer „zunehmen“ heißt.
    https://x.com/peter_simone/status/1905901387629679056

    Die ist nicht dumm. Gut, es gibt Parteikolleginnen, deren Expertise eher im Bereich „Zunehmen“ liegt, aber die Peter wird das doch noch alleine überblicken können.

    Im Moment brennen die Teslas und einige Linke versuchen, einen Boykott zu organisieren. Nicht nur gegen Musk, sondern gegen Amerika. Da soll mal einer sagen, Europäer dächten nicht groß. Mark Schieritz von der ZEIT über-chruppalla-t sogar Tino Chrupalla.
    https://x.com/schieritz/status/1896800611221565682

    Ich frag mich, ob diese ganzen non-stop-aggressiven Kindsköpfe überhaupt noch wollen, dass sich jemand für den europäischen Niedergang interessiert. Während sich Deutschland im selbstverschuldeten freien Fall befindet und der Ökofanatismus wieder verfassungsrechtlich weiter zementiert wurde, schreien Weidel und Chrupalla in die Welt, dass man die Ukraine husch husch im Stich lassen müsse. 2015 schwammen Deutsche, die die Grenzen sichern wollten, auf einer internationalen Welle der Sympathie. Jetzt verlässt sich die AfD darauf, dass jemand uns helfen wird, die Trümmer der linksgrünen Politik wegzuräumen, nachdem sie sich überall maximal asozial aufgeführt haben. Scheiß auf die Ukraine! Bäh, wie unsympathisch. Die Korruption. Die Geschichte. Und der Ami soll mal vor seiner eigenen Haustür kehren …

    Hust, hust, wir Deutschen sind nicht mal besonders freundlich und wir haben zwei Weltkriege inklusive Völkermord begangen. Wir kriegen die Kernkraft alleine nicht mehr hoch und die Industrie bricht uns unterm Heck weg.

    Man kann sich nicht darauf verlassen, dass diese Leute mal ihren Ton überprüfen. Wir können uns nicht mal darauf einigen, dass die Plattentektonik vom Wetter unbeeindruckt ist.

  3. Wenn die an der Isar hausen, dann wäre ein Abstecher in das Deutsche Museum lehrreich gewesen. Dort steht eine V2 die schon vor 90 Jahren den unteren Orbit erreichen konnte. Und das präzise mittels elektromechanischer Steuerung. Scheint mir eher eine Flugtaxinummer zu sein. Gerechterweise betrifft diese Peinlichkeit auch Elon Musk.

      • Doch ist es schon. Es ist nämlich bekannt, wie man Raketen bauen muß, daß diese ihr Ziel erreichen. Eben seit 90 Jahren. Alle diese Unterlagen und Literatur existieren immer noch. Man muß bloß in der Lage sein dort nachzuschauen. Bei den Leuten um Wernher v. Braun ist in dessen Zeit bei den Amis kein einziger Start fehlgeschlagen. Das ist kein Forschen, sondern stochern im Dunkeln, und ausdrücklich auch bei Musk und vielen anderen Dingen im allgemeinen auch.

        • Das ist einfach albern. Oder ignorant. Oder beides. Oder Sie trollen hier einfach gern ein bisschen herum. Wieviele Saturn V oder A-4 sind nach ihrer Mission eigentlich zurückgekehrt und gelandet? Oder brachten ein kg Nutzlast für unter 10.000 Dollar in LEO-Höhe? Aber vielleicht finden wir die Antworten ja im Museum!

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