Wie nennt man das, wenn man versucht, eine kaputte Sache zu reparieren, und dabei alles nur noch schlimmer macht? Es gibt nur eine Sprache, in der es dafür ein Wort gibt, die Deutsche: verschlimmbessern. Und Deutschland ist auch das einzige Land, das sich zu diesem Zweck ganze Sender leistet – ganz vorneweg der WDR.

Foto: WDR

Wo soll man beginnen um das zu beschreiben, was gestern bei der Ausstrahlung des Films „Auserwählt und Ausgegrenzt“ und der Diskussionsrunde danach geschah? Zunächst etwas wirklich Positives: In der Fassung, die die „Bild“ den Zuschauern gezeigt hatte, fehlten die deutschen Untertitel unter den Einblendungen von arabischen TV-Ausschnitten. Vermutlich, weil „Bild“ eine Rohfassung gesendet hat. Wenn Sie aber glauben, das wäre einer der „handwerklichen Mängel“ gewesen, die der WDR gefunden hatte, muss ich Sie enttäuschen. Die Stelle fand auch keine Entsprechung in den 29 Thesen des „Faktenchecks“, die der WDR als Handreiche zusammengestellt hatte. Deren Zweck ist es nämlich vor allem, an der Glaubwürdigkeit der im Film interviewten Personen zu kratzen, wenn diese etwas zugunsten des Films beitrugen.

Man stelle sich nur mal vor, „Prof. Gerald M. Steinberg ist Gründer von NGO Monitor. Diese Organisation lieferte einen großen Teil der Daten, auf die sich dieser Film stützt. Der Film offenbart jedoch nicht, dass Prof. Dr. Gerald M. Steinbergs Organisation NGO Monitor keine unabhängige Organisation ist. Steinbergs NGO Monitor wird von amerikanischen Privatpersonen und Stiftungen finanziert. Mitgründer war die Wechsler Family Foundation.“

Merken Sie was? Steinbergs „NGO-Monitor“ ist keine „unabhängige Organisation“, denn sie wird aus Amerika finanziell unterstützt, noch dazu von Juden! Denen kann man also schon mal nicht glauben. Und es kommt sogar noch besser! Der WDR hat herausgefunden, dass Steinbergs Organisation „eng verbunden“ sei mit „…[dem] Institute for Zionist Strategies und hat einen Unterstützerkreis in den USA. Von dort engagieren sie sich für die Besiedlung der 1967 erkämpften Gebiete im Westjordanland durch jüdische Siedler und haben deshalb eine politische Agenda.“ Eng verbunden, na da schau her! Wenn wir jetzt noch feststellen, dass Steinberg sein Brot beim selben Bäcker kauft, wie Netanjahu, ist er als Experte komplett diskreditiert. Juden, die noch dazu eine „politische Agenda“ haben, das geht schon mal gleich gar nicht! Gut dass wenigstens in der anschließenden Talkrunde bei Maischberger ausgewiesene Experten des Themas wie Norbert Blüm saßen.

Hier sind genau die „drei D“ am Werk, die Michael Wolfssohn im Gespräch nach dem Film erwähnte: Delegitimierung: Denn mit den Worten von Prof. Steinberg befasste sich der „Faktencheck“ nicht, man versucht lediglich, ihm was ans Zeug zu flicken durch „eng verbunden“ und „Geld aus den USA“. Doppelstandards: Dass „NGO Monitor“ Geld braucht, um arbeiten zu können, das ist offenbar nur problematisch, wenn es um pro-israelische NGO’s geht, während alle anderen NGO’s laut Gemma Pörzgen pauschal und prinzipiell „gute und wichtige Arbeit leisten“. Desinformation: Da man nun erfolgreich orakelt hat, dass die Juden eine „politische Agenda“ haben, muss man sich mit der politischen Agenda der Hamas oder der NGO’s, die die Hamas so bereitwillig unterstützen, nicht befassen.

WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn hat dem WDR einen Bärendienst erwiesen, als er glaubte, mit windigen, ablenkenden Kritteleien wie im angehängten „Faktencheck“ eine qualitative Messlatte herbeizuzaubern, um die sich der Sender außer in diesem einen Fall einen feuchten Dreck schert. Als vor kurzem im WDR eine Dokumentation über Geerd Wilders gesendet wurde, gab es diese Messlatte offenbar noch nicht. Man änderte erst nach Druck von außen einige Punkte, ließ allerdings die nötige Transparenz dabei vermissen. Faktencheck? Journalistische Standards? Fehlanzeige!

Mit Fakten zum Film „Auserwählt und Ausgegrenzt“ ist man dagegen großzügig zur Stelle. Und es sind humoristische Perlen darunter, das muss ich den Machern lassen. Frage: „Ist es wahr, dass die EU das Mausoleum Arafats mitfinanziert hat?“ Antwort: „Das ist nicht belegbar. Die EU bezahlte dabei unter anderem die Gehälter“. Na wenn die EU nicht die Steine bezahlt hat sondern nur die Bauarbeiter, wäre es natürlich grundfalsch, von Mitfinanzierung zu sprechen! Aber der Faktencheck bietet nicht nur Possen, sondern wartet mit Behauptungen auf, deren Perfidie nicht sofort auffällt. So finden wir zu den Auslassungen von Annette Groth bezüglich der israelischen Vergiftung des Wassers Folgenden Hinweis:

„Frau Groth spricht die Verunreinigung des größten Trinkwasserreservoirs, des coastal aquife, an. Diese ist ein großes Problem für Gaza, allerdings hat diese Verunreinigung u.a. mit Überpumpung des Grundwassers zu tun, die schon vor der Besetzung Gazas durch Israel begann.“

Richtig ist, dass es keine „Vergiftung“ gibt, sondern eine Überpumpung – und zwar nicht nur „unter anderem“. Doch womit hat Israel denn in diesem Zusammenhang „begonnen“? Mit der Überpumpung, oder damit, Brunnen in Gaza zu nutzen? Gaza war an das israelische Wassernetz angeschlossen und Überpumpung gab es bis 2005 nicht. Diese Dummheit begann erst mit der Hamas, weil diese sich dazu entschloss, den bösen Juden kein Wasser mehr abzunehmen, wenn sie es bezahlen müsste. Man sieht also: Der WDR schreibt die Wahrheit, suggeriert aber, dass dennoch die Juden an allem Schuld seien. Wo die „Tonnen, tausende Tonnen…!!“ von Chemikalien geblieben sind, von denen Groth faselte, sagt der Faktencheck übrigens nicht.

In dem Stil geht es weiter, eine Nebelkerze folgt auf die andere. Was sie jedoch alle zusammen nicht schaffen ist, dass die verstörenden, erschreckenden Fakten, die Gespräche, Rap-Songs und der latente Antisemitismus in Europa leider keine Phänomene sind, die allein im dumpfbraunen Nazimilljöh vorkommt. Der Antisemitismus hat seine politische Heimat ebenso im Islam und in der politischen Linken, wo er sich als Antizionismus tarnt. Der ursprüngliche Hauptvorwurf gegen die Filmemacher, die man übrigens nicht einlud, „weil die ja sowieso nur eine Stunde lang über ihren Film reden würden“, war aber gerade, dass er sich nicht genug mit dem Thema Antisemitismus an sich befasse, sondern seinen Blick zu sehr auf Israel, Gaza und den Nahostkonflikt richte. Warum das leider gar nicht anders sein kann, bewies die anschließende Runde bei Maischberger, in der es nämlich um nichts Anderes ging, als um Israel.

Fazit: Der kritisierte Film wäre viel preisgünstiger zu produzieren gewesen. Wozu nach Frankreich reisen oder nach Israel und Gaza, wenn die Antisemiten in den Fluren des WDR sitzen, wo man eine ganze Serie von Dokus drehen könnte. Als Titel schlage ich vor: „Der-Antisemit vom WDR, der von nichts wusste.“ – Natürlich begleitet von einem ausführlichen Faktencheck!

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3 Kommentare

  1. Obwohl ich die Reportage bereits zweimal auf Youtube sah, habe ich sie mir gestern noch einmal angesehen. Die Hinweise während der Reportage, empfand ich nicht als seriöse Kritik, sondern als dämliche Kritteleien. Der flüchtige Blick in die „Faktenchecks“ bestärkte mein Eindruck, dass die Reportage den Finger in die Wunde legt. Ich konnte keine „handwerklichen Fehler“ entdecken. Muss man denn zu allem und von jeden eine Stellungnahme herholen? Der Vorwurf, man hätte Abbas mit Streicher nicht vergleichen (oder gleichsetzen) dürfen, ist haltlos. Es gab keinen Vergleich. Streicher etwas gesagt, was Abbas auch sagte, nur in anderer Form. Das ist kein ach so pöser Nazivergleich, sondern ein Vergleich zweier Aussagen, der aufzeigt, sich Streicher und Abbas in punkto Juden das gleiche Weltbild haben.

    Ich fand die Reportage nicht polemisch, auch nicht handwerklich schlecht, sondern äußerst informativ, teilweise kokett (Die Mittelmeeraussage war doch lustig. Was ist schlimm an Humor? An Galgenhumor?)

    Diese ganze Kritteleien, dieser komische Faktencheck und dieses Hin und Her im Vorfeld der Ausstrahlung, zeigt, dass der Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft, selbst bei wohlsituierten Angestellten mit akademischen Abschlüssen, angekommen ist. Das Problem ist eigentlich noch gravierender, als es die Reportage zeigen wollte.

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