Als die Leipziger Volkszeitung am 8.1.2018 meldete, die Straßenbahnen der Stadt führen ab sofort ausschließlich mit Ökostrom, müssen bei einigen Grünen die Sektkorken geknallt haben. Die Energiewende schreitet voran, gigantische Einsparungen von fast 40.000 Tonnen CO2 pro Jahr seien zu erreichen, das macht etwa so viel aus, wie 80.000 Menschen pro Jahr durch ein- und ausatmen erzeugen. Doch da man nicht einem Siebtel der Leipziger Einwohner das Atmen verbieten wollte, musste eben Ökostrom her. Dass Straßenbahnen nicht mit Sonne und Wind zu betreiben sind, war den Verantwortlichen natürlich klar. Die Bahnen sollen ja auch weiterhin ihren Weg im Dunkel und bei Windstille finden. Deshalb suchte und fand man einen Anbieter, der ausschließlich die Lieferung norwegischer Wasserkraft zusagte. Norwegischer Strom…das klingt ja schon nach frischer Luft! Wasserkraft, Pumpspeicher, alles Öko, alles Bio, alles vegan – wenn man vom norwegischen Lachsverzehr mal absieht. Aber, geht das überhaupt? Denn wie kommt der gute Ökostrom aus Norwegen in die Leipziger Straßenbahn?

Ich lasse hier mal ein Video aus dem Jahr 2012 zu Wort kommen. Ein Video, dass ausgerechnet der NDR und Panorama produzierte und für das ich Anja Reschke nur das beste Zeugnis ausstellen kann. Aber, wie gesagt, das Video ist von 2012, da tickten die Uhren vor allem für den Atomausstieg, Kohle war hingegen noch nicht in den siebten Kreis der Hölle abgerutscht, es wurden sogar neue Kohlekraftwerke gebaut! Damals glaubte man noch, Deutschland und die deutsche Industrie brauchten vor allem eine stabile, preiswerte Energieversorgung – was waren wir doch für klimafeindliche Narren! Heute ist natürlich allen klar, dass zur Rettung des Weltklimas Opfer nötig sind. Und opfern kann bekanntlich nur, wer was dranzugeben hat. Deutschland eben vor allem seine Industrie, ein stabiles Netz, bezahlbare Energie…aber lassen wir das.

NDR: gestern gut

Ein paar kleine Fehlerchen hat der Film zwar, aber er darf dennoch als Zeichen vergangener geistiger Gesundheit in den ÖR-Redaktionen angesehen werden. Falls sie sich fragen, was eigentlich aus den deutschen Leitungen nach Norwegen geworden ist, über die im Film so genüsslich gewitzelt wird…es gibt sie immer noch nicht – Pech für Leipziger Straßenbahnen. Und falls sie sich außerdem fragen, ob Norwegen denn wenigstens in Zukunft die ihm zugedachte Rolle als deutsche Speicherbatterie erfüllen könnte, wenn die Seekabel liegen, wenn die Netze ausgebaut sind, wenn alle möglichen Standorte mit Pumpspeicherkraftwerken zugepflastert wurden (besser Norwegische Fjorde verhunzen, als bayerische Berglandschaften) und wenn die Stromtrassen von der Nordsee bis zur Leipziger Straßenbahn führen, empfehle ich zur Ernüchterung diese Rechnung von Professor Sinn. Auch Norwegen ist nämlich leider nicht groß genug für die deutsche Energiewende! Doch der Sekt ist ja jetzt schon offen, also Prost! Saufen wir uns die Energiewende schön! Am besten bei einer Fahrt mit der Leipziger Straßenbahn.

Vorheriger ArtikelAusgerechnet: Die grüne Kompetenz von Annalena Baerbock
Nächster Artikel„Wie wollt ihr leben“ vs. „Was ihr wollt“ – der Hijab in Werbung und Gesellschaft

9 Kommentare

  1. Das es ökonomischer Unsinn ist, was da ständig die Propaganda-Kanäle flutet, sollte jedem halbwegs Informierten klar sein. Um so mehr verblüfft, dass es offensichtlich bei hinreichend vielen Uninformierten verfängt. Auch einige Leute, denen man weder Bildung noch Intelligenz absprechen kann, stellen sich hinter diesen Unsinn. Aber warum ist das so? Die übliche Erklärung ist, dass Ideologie und Gehirnwäsche sehr wohl die Macht der Verblendung hat. Aber reicht diese Erklärung aus?

  2. Der Strom wird in umweltfreundlichen Batterien gespeichert und dann mit Lastenseglern im Pendelverkehr aus Norwegen nach Hamburg verschifft, anschließend mit Pferdekutschen nach Leipzig transportiert. Das schafft auch jede Menge hochbezahlte neue Jobs für freigestellte Industriearbeiter!

    • Aber wenn die Pferde einen Schlag kriegen? Dann bleibt der ganze Strom in Boizenburg stecken und alles wird da völlig verstromt.
      Das kann doch auch keiner wollen.

  3. Also ich vertraue da ja auf intelligente Netze und Stromverbaucher wie etwa Straßenbahnen. Die erkennen doch die Elektronen an der Farbe und lassen nur blaue (Wasser), gelbe (Fotovoltaik), transparente (Wind) und grüne (Biogas) Elektronen durch. Die braunen (Braunkohle), schwarzen (Steinkohle, Öl) und gelb-schwarz gestreiften (Atom) Elektronen werden blockiert. Wenn’s wegen Windstille und oder Nacht nicht genug gelbe und transparente Elektronen gibt, dann werden die gelb-grünen (Erdgas) Elektronen durchgelassen.
    So einfach ist das. Das muss nur noch jemand erfinden 😉

  4. Als Nichtstrommacher habe ich da mal eine Frage: Geht Strom nicht auf dem Transport so ziemlich verloren?, wegen Schwund und Entropie und dann paar-Elektronen-weg und so?

    Also die Leipziger Volkszeitung müsste das wissen nein fragen können sollen, nicht?, obwohl sie den Anzugtypen glaubt, dass „60 Gigawattstunden“ in Norwegen abgeschickt werden und in den Leipziger Straßenbahnen ankommen, und also hat die Leipziger Volkszeitug nchts zu fragen.

    Tja, wenn es eine dicke Leitung gäbe, die es aber nicht gibt, würde vielleicht was ankommen?, aber reicht das für eine halbe Straßenbahn? Und jetzt ohne Leitung?, und all der Schwund auch ohne Leitung?

    Ich glaube nicht an die Leipziger Straßenbahnen. Ich glaube an die Öko-Anzugtypen und an die fraglose Weisheit der Leipziger Volkszeitung.

    • Es geht wohl weniger die Stromspannung selbst verloren, hat mir mal ein Physiker erklärt, als daß das hier passiert:
      https://de.wikipedia.org/wiki/Phasenverschiebung
      Verstanden habe ich davon freilich so gut wie nix (aber dafür kann ich ja einen Fachmann fragen; und das könnte der Leipziger Stadtrat eigentlich auch) – nur daß am Ende immer mehr Energie aufgewendet werden muß um Spannung und Stromstärke wieder „zusammenzuführen“, je weiter der Strom schon durchs Netz gerauscht ist; und irgendwann muß man ein Kraftwerk als „Phasenschieber“ zuschalten. Dessen Energie für nichts anderes als die Kompensation des erwähnten Effekts verbraucht wird.
      Warum man dann nicht einfach von dort aus kürzere Leitungen zum Endverbraucher zieht und den Strom dieses Kraftwerks direkt verbraucht? Das wäre vielleicht vernünftig, aber nicht „bio“.

    • @Ari: „Tja, wenn es eine dicke Leitung gäbe, die es aber nicht gibt, würde vielleicht was ankommen?“

      Wäre schön, aber leider haben Politik und Medien nur eine lange Leitung.

    • Tatsächlich ist der Stromtransport über weite Strecken eine teure Angelegenheit. Nicht nur wegen der immensen Kosten für die Trassen inkl. Wartung und Planungsaufgaben, sondern auch wegen der Verluste. Am Besten geht es da mit der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung. Da kann man über Strecken über 500 km nachdenken … aber der Trassenbau bleibt noch immer teuer. Besser ist es, ohne derartigen Unsinn auszukommen, denn regionale Stromerzeugung macht all diese Kosten, die jemand bezahlen muss, überflüssig.

Kommentarfunktion ist geschlossen.